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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wenn ich dabeigewesen wäre, und sie hatte nie geklagt oder gar geweint. Sie hatte gesagt, nun wisse sie, daß ich eine jener Seelen sei, die bei ihrer Geburt zur falschen Stelle geschleudert werden, um dort vernichtet zu werden. Nun sei sie überzeugt, daß ich durch die Geisterschmiede müsse, um alle irdischen Qualen über mich ergehen zu lassen. Aber sie wisse, ich werde nicht schreien, ich werde tragen was zu tragen ist, und mir den Weg nach Dschinistan erzwingen. Je näher sie dem Tode kam, desto ausschließlicher lebte sie nur noch ihrer Märchenwelt und desto ausschließlicher sprach sie nur noch von mir. An einem der letzten Tage erzählte sie, daß der längst verstorbene Herr Kantor heute Nacht bei ihr gewesen sei. Er war unser Nachbar gewesen. Die beiden Häuser stießen aneinander. Da habe sich plötzlich im Dunkel die Mauer auseinander getan, und es sei hell geworden, aber nicht in einem gewöhnlichen Licht, sondern von einem, welches sie noch nie gesehen habe. Von ihm beleuchtet, sei der Herr Kantor erschienen. Er habe genau so ausgesehen wie damals, als er noch lebte. Er sei langsam bis an ihr Bett gekommen, habe sie freundlich lächelnd gegrüßt, wie es immer seine Art und Weise war, und dann gesagt, daß sie sich ja nicht um mich sorgen solle; ich könne wohl stürzen wie jeder Andere, nicht aber liegen bleiben; es werde mir zwar schwer gemacht, doch erreiche ich sicher mein Ziel. Nach diesen Worten nickte er ihr wieder freundlich zu und ging ebenso langsam, wie er gekommen war, nach der Mauerlücke zurück. Sie schloß sich hinter ihm. Das Licht verschwand; es wurde wieder dunkel.
    Als sie das erzählt hatte, war es gewesen, als ob ein Teil jenes fremden, ihr bisher unbekannten Lichtes auf ihrem Gesicht zurückgeblieben sei, und es lag auch noch dann darauf, als sie die Augen geschlossen hatte und nicht mehr atmete. Ihr Tod war ein sanfter, ein friedlicher, ein seliger gewesen; mir aber war gar nicht friedlich und gar nicht selig zu Mute, als man mir von ihm erzählte. Es tauchten Vorwürfe in mir auf, aber keine Vorwürfe, die nur Gedanken sind, wie bei andern Leuten, die nicht von derselben Veranlagung sind wie ich, sondern Vorwürfe viel wesentlicherer, viel kompakterer Art. Ich sah sie in mir kommen, und ich hörte, was sie sagten, jedes Wort, ja wirklich, jedes Wort! Das waren nicht Gedanken, sondern Gestalten, wirkliche Wesen, die nicht die geringste Identität mit mir zu besitzen schienen und doch identisch waren. Welch ein Rätsel! Aber welch ein ungewöhnliches, furchtbar beängstigendes Rätsel! Sie glichen jenen in mir schreienden, dunkeln Gestalten von früher her, mit denen ich – – – mein Gott, kaum hatte ich an sie gedacht, so waren sie wieder da, ganz so, wie ich damals gezwungen gewesen war, sie in meinem Innern zu sehen und zu hören. Ich vernahm ihre Stimmen so deutlich, als ob sie vor mir stünden und an Stelle der Eltern und Geschwister mit mir sprächen. Und sie blieben. Sie gingen, als ich mich niederlegte, mit mir schlafen. Aber sie schliefen nicht und ließen auch mich nicht schlafen. Es begann das frühere Elend, die frühere Marter, der frühere Kampf mit unbegreiflichen Mächten, die umso gefährlicher waren, als ich absolut nicht entdecken konnte, ob sie Teile von mir seien oder nicht. Sie schienen es zu sein, denn sie kannten einen jeden meiner Gedanken, noch ehe er mir selbst zum Bewußtsein kam. Und doch konnten sie ganz unmöglich zu mir gehören, weil das, was sie wollten, fast stets das Gegenteil von meinem Willen war. Ich hatte mit meiner Vergangenheit abgeschlossen. Der vor mir liegende Teil meines Lebens sollte ein ganz anderer sein als der, welcher hinter mir lag. Diese Stimmen aber waren bemüht, mich mit aller Gewalt in die Vergangenheit zurückzuzerren. Sie verlangten wie früher, daß ich mich rächen solle. Nun erst recht mich rächen, für die im Gefängnis verlorene, köstliche Zeit! Sie wurden von Tag zu Tag lauter; ich aber stemmte mich gegen sie; ich tat, als ob ich nichts, gar nichts höre. Das war aber selbst bei der größten Kraftaufwendung nicht länger als höchstens nur einige Tage lang auszuhalten. Indessen besuchte ich einige Verleger, um mit ihnen über die Herausgabe der im Gefängnisse geschriebenen Manuskripte zu verhandeln. Hierbei stellte es sich heraus, daß während dieser meiner Abwesenheit die inneren Stimmen umso mehr verstummten, je weiter ich mich von der Heimat entfernte, und wieder um so deutlicher wurden, je mehr ich

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