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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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in der Fensternische stehenden Glasbassin mehrere Goldfischchen ihr munteres Spiel trieben. Die halbherabgelassenen Rouleaux dämpften das ohnehin nur mäßig einfallende Licht; alles war Wärme und Behagen.
    Die kleine Pendule schlug eben zehn, als der Geheimrat eintrat, ein Sechziger, groß und schlank, das kurzgeschnittene graue Haar voll und dicht nach oben gerichtet. Er trug einen veilchenfarbenen Samtschlafrock, unter dem er sich in bereits sorglichster Toilette zeigte. Seine Haltung, vor allem die Adlernase, gaben ihm etwas entschieden Distinguiertes. Das Windspiel drängte sich an ihn, um ihn respektvoll, aber verdrießlich zu begrüßen, und zog sich dann zitternd, während das Glöckchen an seinem Halse hin und her tingelte, wieder in seinen warmen Korb zurück. Der Geheimrat seinerseits schritt auf das Bassin zu, um die Fischchen mit einigen Krumen und Insekteneiern zu füttern; er verweilte minutenlang dabei und nahm dann Platz an seinem Arbeitstisch, auf dem amtliche Schreiben, auch mehrere Zeitungen, darunter englische und französische, ausgebreitet lagen. Er pflegte zunächst alles Geschriebene zu erledigen; heute hielt er sich zu den Zeitungen und nahm den »Moniteur«.
    Überlassen wir ihn auf eine Viertelstunde ungestört seiner Lektüre und erzählen wir, während er sich in Empfangsfeierlichkeiten und Loyalitätsadressen vertieft, einiges aus seinem Leben.
    Alexander von Ladalinski war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts auf dem den Mittelpunkt der gleichnamigen Herrschaft bildenden Schlosse Bjalanowo geboren. Die nächste größere Stadt, aber doch mehrere Meilen entfernt, war Czenstochau. Einige der zur Herrschaft gehörigen Güter zogen sich westlich und griffen mit ihrem Hauptbestande ins Herzogtum Schlesien hinüber, das eben damals preußisch geworden war.
    Der junge Ladalinski empfing eine sorgfältige Erziehung, ging, um diese zu vollenden, erst nach Paris, dann nach Wien und hatte, dreiundzwanzig Jahre alt, eben die Verwaltung seiner Güter übernommen, als die Verhältnisse des Landes ihn in die politischen Kämpfe hineinzogen. So wenig er diese Kämpfe liebte, so gewissenhaft führte er sie durch, nachdem er erst in dieselben eingetreten war. Er saß im Reichstag und zählte zu den Hervorragendsten unter den Führern der antirussischen Partei. Schon damals sprach sich in seiner Haltung eine bei mehr als einer Gelegenheit hervortretende Hinneigung zu Preußen aus. Diese Hinneigung, vielleicht auch der schon erwähnte Umstand, daß ein Teil seiner Besitzungen dem preußischen Staatsverbande zugehörte, war es wohl, was bei Veranlassung der Thronbesteigung König Friedrich Wilhelms II. seine Mission an den Berliner Hof veranlaßte. Er fand an demselben ein ihn auszeichnendes Entgegenkommen, besonders von seiten des Ministers von Bischofswerder, in dessen Hause er sehr bald ein täglicher Gast wurde. Hier war es auch, wo er die junge Comtesse Sidonie von Pudagla kennenlernte. Was ihn vom ersten Augenblicke an mehr noch als ihre Schönheit bezauberte, war der heitere Übermut ihrer Laune, die mit graziöser Rücksichtslosigkeit geübte Kunst, den Schaum des Lebens wegzuschlürfen. Etwas Pedantisches, das ihm eigen und dessen er sich, in seinen jungen Jahren wenigstens, zu seiner eignen Unzufriedenheit bewußt war, ließ ihm diese Kunst ausschließlich im Lichte eines Vorzugs erscheinen. Ehe er Berlin verließ, wurde die Verlobung gefeiert; in der Weihnachtswoche folgte dann die Hochzeit, die, unter Teilnahme des ganzen Prinz Heinrichschen Hofes, von dem Bruder und der Schwägerin der Braut: dem Grafen und der Gräfin von Pudagla, in Rheinsberg ausgerichtet wurde.
    Hatte schon die Hochzeitsfeier einen glänzenden Charakter gehabt, so noch mehr die Hochzeitsreise. Es war wie die Einholung einer Prinzessin. An jedem Rastplatze immer neue Überraschungen, die sich steigerten, je näher man dem Ziele kam. Endlich lag Bjalanowo vor ihnen, hoch, im Abenddunkel eben noch erkennbar, und als nun der vorderste Schlitten in die breite, winterlich kahle Avenue einbog, da wurden auf den vier dicken Rundtürmen vier große Feuer angezündet, in deren Schein jetzt der alte, halbverfallene Backsteinbau dalag wie ein Schloß aus dem Märchen. Unter dem jubelnden Zuruf aller Hintersassen fuhr das junge Paar in den Schloßhof ein.
    Die Freude, die der Gemahl über die glückliche Durchführung des von ihm selber angeordneten Schauspiels empfand, ließ ihn die Mienen seiner jungen Frau nicht aufmerksam

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