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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Verhaltungsbefehle!« sagte Renate, »was tun wir?«
    »Wir warten. Das ist überhaupt das Beste, was der Mensch tun kann. Zeit, Zeit. Die Zeit bringt alles. Dem Kranken bringt sie Gesundheit. Wir warten also.«
    »Und wie lange noch?«
    »Ja, das ist nun wieder so eine Frage. Aber rechnen wir nach. Heute ist der dritte Tag. Ich denke den fünften Tag, also übermorgen. Übermorgen wird er ausgeschlafen haben und wird irgend etwas wollen, vielleicht einen gerösteten Speck oder ein Zwiebelfleisch. Was es aber auch sein mag, er muß es haben, denn was dann spricht, das ist die Stimme der Natur, die durchaus gehört werden will.«
    »Ach, wie freue ich mich«, sagte Renate, »meinen Brief mit so guten Nachrichten schließen zu können! Ich schrieb, als Sie vorfuhren, eben an Marie Kniehase. Wissen Sie, Doktor, Sie könnten mir die letzten Zeilen diktieren.«
    »Das will ich«, sagte der Alte, »und will auch den Briefträger machen, denn ich fahre über Hohen-Vietz. Haben Sie alles?«
    »Alles.«
    »Nun denn schreiben wir: ›… Eben ist Doktor Leist hier und versichert uns, es sei keine Gefahr. In zwei Tagen wird unser Kranker außer Bett und in einer halben Woche so gut wie genesen sein. Dies alles schreib’ ich nach dem Diktat des Alten, der diesen Brief selbst mitnehmen will. Punktum, Gedankenstrich. Deine Renate.‹«
    Renate sprang auf, schob in heiterer Laune dem Doktor das Blatt zu und sagte: »So, nun haben wir es schwarz auf weiß, und Sie müssen nur noch darunter schreiben: ›Beglaubigt‹ und Ihren Namen. Aber keinen Doktorkrikelkrakel, sondern deutlich und leserlich für jedermann.«
    Der Alte tat, wie ihm geheißen. Dann erhob er sich, und während ihm Renate wieder in seinen schweren und vielkragigen Mantel hineinhalf, schloß er seinen Besuch mit den Worten: »Und nun noch eines, Ihr Damen. Ich muß die Gesunden bitten, sich über den Kranken nicht zu vergessen. Sonst vertauschen wir bloß die Rollen. Also keine Allotria wie Nachtwachen und andere Überflüssigkeiten. Tantchen, ich mache Sie verantwortlich. Und übermorgen sehe ich wieder nach. Und nun Gott befohlen.«
    Sie begleiteten ihn treppab bis an den Wagen, der unter dem Vorbau hielt. Bald zogen die Pferde an, und Renate und die Schorlemmer grüßten dem Alten nach. Eine rechte Sorge war von ihnen genommen; er hatte so zuversichtlich gesprochen. Gegen Abend kam eine alte Wartefrau, um sie am Bette des Kranken abzulösen, und beide gingen nun in ihre Giebelstube hinüber, um nach zwei schlaflosen Nächten eine ruhige Nacht zu haben.
    Renate war müde, Tante Schorlemmer aber rüstig und beweglich wie immer. Sie setzte sich zu ihrem Liebling und zeigte sich geneigt, noch eine Viertelstunde zu plaudern.
    »Wie mag es in Guse aussehen?« fragte Renate. »Ach, liebe Schorlemmer, ich sorge mich, von der Tante zu träumen.«
    »Du wirst es nicht.«
    »Und wie sie nur gestorben sein mag«, fuhr Renate fort. »Ich glaube nicht, daß sie einen christlichen Tod gehabt hat. Und nun sehe ich sie im Sarge liegen, blaß, mit ihrer schwarzen Witwenhaube, und die Schnebbe daran noch tiefer in die Stirn gerückt als gewöhnlich. Und vor diesem Bilde fürchte ich mich. Es mag nicht recht sein. Aber dir darf ich es sagen, liebe Schorlemmer, daß ich lieber hier in Bohlsdorf als in Guse bin. Ist es ein Unrecht?«
    Die Schorlemmer streichelte ihr die Hand und sagte: »Wenn es ein Unrecht ist, mein Renatchen, so ist es ein kleines. Ich weiß wirklich nicht, ob es unsere Christenpflicht ist, einem Toten ins Gesicht zu sehen. Und sie hatte etwas Unheimliches. Alle, die Jesum verachten, haben nichts von seinem Gnadenschein.«
    »Und was nun aus Guse wird? Es war Allod, und als Kaufgut fällt es nicht an die Pudaglas zurück.«
    »Ich wüßte schon einen Erben.«
    »Welchen?«
    »Renate von Vitzewitz. Aber du hättest dann einen andern Namen.«
    »Geh doch. Was du nur sprichst. Ich armes Fräulein und das schöne Gut.«
    »Ja, mein Renatchen, die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen, und während du glaubst, daß ich nur an Grönland und Neu-Herrnhut denke, denk’ ich an ganz andere Dinge. Ich habe auch so meine kleinen Passionen und verheirate die Menschen gern, und wenn ich so in die Zukunft sehe, da seh’ ich nichts als…«
    »Nun?«
    »Nichts als Hochzeitszüge, kleine und große: du, Marie, Maline. Selbst für die Eve hab’ ich schon gesorgt, trotzdem sie hochfahrend ist und es eigentlich nicht verdient.«
    »Und Kathinka?«
    »Nein, Kathinka nicht. Die

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