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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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er es habe, von seinem Vater sicherlich nicht, denn er schlafe zuviel. Ihre Sprechweise, während sie so plauderte, war über ihren Stand, dabei ziemlich zwanglos, und nur mitunter, wenn sie lebhafter wurde, entschlüpfte ihr ein plattdeutsches Wort.
    Tante Schorlemmer und Renate hatten Platz genommen und rückten einen dritten Stuhl an den Tisch.
    »Sie müssen bleiben«, sagte Renate, »und sehen, wie gut es uns schmeckt. Denn Sie führen eine gute Küche, das hab’ ich gleich gestern herausgefunden. Der Kleine schläft, da haben Sie Zeit und können uns etwas erzählen. Wir sind nun schon fast zwei Tage hier und haben noch nicht einmal Ihren Namen erfahren.«
    »Ich heiße Kemnitz… das heißt mein Mann.«
    Sie sagte dies in einem Tone, der andeuten sollte, daß ihr väterlicher Name um einen Grad höher gewesen sei.
    Renate verstand es auch so und fuhr deshalb fort: »Sie sind gewiß aus der Stadt? Aus Alt-Landsberg oder Müncheberg?«
    »Nein, das nicht; ich bin von hier. Mein Vater hatte die Schule, und als ich bei Pastor Lämmerhirt eingesegnet war, da kam ich aufs Amt. Denn wir waren drei Mädchen, und ich bin die mittelste; Christiane hatte den Marzahnschen Müller geheiratet, und Mariechen, was unsere Jüngste ist, ist noch zu Hause, denn unsere Mutter lebt noch.«
    »Und da sind Sie wohl immer auf dem Amt gewesen?« fragte Renate.
    »Ja, bis vor anderthalb Jahren. Ich hatt’ es gut. Die junge Frau war das einzige Kind, und wir waren immer zusammen, und da sah und hört’ ich alles. Der jetzige Amtmann hielt es mit der Mutter und hat sich hineingeheiratet; er war erst bloß Verwalter. Und man merkt es auch noch; auf dem Hof hat er das große Wort, aber in der Stube ist er mäuschenstill, denn die Mutter hat das Regiment, und die Tochter lernt es jeden Tag besser.«
    »Und Ihr Mann, liebe Frau Kemnitz, der war wohl auch auf dem Amt?«
    »Ja, er war der Meier. Er diente schon das siebente Jahr und sah mir immer nach den Augen, daß ich lachen mußte. Und erst wollt’ ich ja nicht, aber da sagte mir der Pastor Lämmerhirt, ›ich sollte mich nicht um mein Glück bringen‹. Da nahm ich ihn denn, und es tut mir auch nicht leid, denn er ist gut gegen mich, und nun gar der Junge, Sie glauben nicht, wie er das Kind liebt. Da muß man denn schon ein Auge zudrücken.«
    »Das muß eine gute Frau immer«, sagte die Schorlemmer und hob in freundlicher Ermahnung ihren Zeigefinger. »Eine gute Frau muß die Augen immer aufhaben, aber sie muß sie auch zuzumachen verstehen, je nachdem. Sie muß alles sehen, aber sie muß nicht alles sehen wollen .«
    Die Krügersfrau, die nach Art der Dorfleute bei Sehen und Nichtsehen immer nur an Liebesgeschichten dachte, mißverstand die sehr anders gemeinten Worte Tante Schorlemmers und antwortete lachend: »Ach, so was ist es ja nicht; da käm’ er mir auch recht.«
    »Nun, was ist es denn?« fragte Renate neugierig.
    »Ja, was ist es Fräuleinchen? Ich schäme mich fast, davon zu sprechen. Er schläft immer, und das soll nicht sein. Des Abends, wenn die Gaststube leer ist, les’ ich ihm eine Gesangbuchepistel vor, so bin ich großgezogen, so war es bei meinem Vater selig, und so war es auch auf dem Amt. Und wenn auf dem Amt auch keiner recht hinhörte, so taten sie doch so. Aber mein Kemnitz schläft. Eine Zeitlang hab’ ich ihn lesen lassen, bis ich sah, daß es auch nicht ging. Er hat immer den Sandmann in den Augen.«
    »Das ist aber doch nichts Schlimmes, meine liebe Frau Kemnitz«, sagte Renate.
    »Doch, gnädiges Fräulein«, erwiderte die Krügersfrau. »Und wenn er bloß schliefe, wenn er schläft; aber er schläft auch, wenn er wach ist. Und das ist das Allerschlimmste. Er vergißt alles, er hat gar keinen Merk. Sehen Sie, letztes Vogelschießen, da hatten wir das Haus voll, alle Stuben, und ich war oben und unten, in Küche und in Keller, und wir verschenkten einen halben Anker Wacholder. Ja, verschenkt haben wir ihn, denn mein Kemnitz vergaß die Kreidestriche, und als er sie zuletzt machte, so nach Gutdünken, weil er sich vor mir fürchtete, da waren sie falsch, und wir hätten noch Streit und böse Nachrede gehabt, wenn ich nicht, als der Lärm eben anfing, dazugekommen wäre. Da fuhr ich denn mit meinem Ärmel über die ganze Rechnung hin und sagte: ›Es ist alles frei gewesen‹, und brachte jedem ein Extraglas und tat, als ob es mich freute, denn die Bauern sind sehr schwierige Leute. Aber in der Nacht hab’ ich meine blutigen Tränen geweint.«
    Die

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