Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
lange dauern mochte, fuhren mit ihren Mäulern suchend und schnopernd durch den leeren Trog. Er gab ihnen einen Schlag: »Künn jih nicht töwen«, und stappste dann, als er ihnen endlich ihr Futter eingeschüttet hatte, unter dem Vorbau weg in die Krugstube, wo auf zwei großen Brettern die zum Einschieben in den Ofen eben fertig gewordenen Brote lagen.
»‘n Abend, Krügersch.«
»‘n Abend, Damerow. Noch so spät bi Weeg?«
»Ja, man möt ja wull. Dat oll Schlackerwetter geiht ei’m bis up de Knaken.«
»Dat deit et. Wat wullen S’, Kirsch o’er Kümmel?«
»Geben S’ en Kirsch. Awer töwen S’ noch en beten. Ick hebb do een’n upp’n Schlitten. He läg as för dood bi de Chausseesteen. Upp’n Hoar, un ick hedd em överfoahren.«
»Kennen S’ em nich?«
»Nee. He süht ut as en Stadtminsch, as en Berlinscher. Koamen S’ man mit rut.«
Die Krügersfrau, die noch beim Abtrocknen war, nahm eine kleine Laterne vom Brett, steckte den Lichtstumpf an, hakte wieder ein und folgte dem Knecht auf die Straße. So traten sie an die Rückseite des Schlittens, der nur zwei Korbwände hatte, nach hinten zu aber offen war. Der Knecht schob ein Strohbündel, das als Decke gedient haben mochte, zurück, und die Krügersfrau leuchtete nun in den Schlitten hinein. Aber die Laterne fiel ihr aus der Hand, und sie tat einen Schrei. Dann lief sie wieder in das Haus, rüttelte den Mann, der in dem Alkoven nebenan eingeschlafen war, und rief: »Steih up, Drews. Kumm, mach flink. Ick gloob, he is all dood.«
»Wihr, wihr?« fragte der Krüger, aus dem Schlaf auffahrend.
Aber die Frau war schon wieder an der Tür. »Jott, Jott, wihr sall et sinn?… De jungsche Herr von Hohen-Vietz.«
Vierter Band
Wieder in Hohen-Vietz
Erstes Kapitel
In Bohlsdorf
Es war drei Tage später. In dem hinter der Gaststube gelegenen Alkoven saß die Bohlsdorfer Krügersfrau und beugte sich über ihr Kind. Sie sang es in Schlaf, aber mit leiser Stimme, und in noch leiserer Schaukelbewegung ging die Wiege. Es hätte dieser Vorsicht nicht bedurft, denn der Kranke, dem sie galt, und der über dem Alkoven gebettet war, lag nun schon den dritten Tag in einem schweren Schlaf und war taub und tot gegen alles, was um ihn her vorging. Ein Arzt war noch nicht zu beschaffen gewesen, aber an Pflege gebrach es nicht, wenn man einem bloßen Aufmerken und Abwarten, dem sich seit dem gestrigen Tage zwei Frauen unausgesetzt unterzogen, diesen Namen geben konnte.
Mittag war vorüber. Es mochte die zweite Stunde sein, die schon wieder sinkende Sonne schien durch das Fenster einer kleinen Giebelstube, und ein freundlicher Glanz, als ging er von dem Kranken selber aus, war um diesen her.
»Seine Stirn ist feucht«, sagte die Schorlemmer. »Geh, Renate, und ruhe dich aus. Eine Viertelstunde nur.«
»Ich bin nicht müde.«
»Du mußt es sein. Geh.«
Und sie ging. Aber nicht, um zu ruhen, sondern um einen Brief, den sie versprochen hatte, nach Hohen-Vietz hin zu schreiben.
Das Stübchen, das gleich nach ihrer Ankunft als Wohn- und Schlafzimmer eingeräumt worden war, lag an der andern Giebelseite des Hauses und zeigte noch jenes Durcheinander, das der erste Moment der Ankunft immer zu geben pflegt. Zum Ordnen und Aufräumen war eben noch nicht Zeit gewesen. Auf zwei Stühlen stand der geöffnete Reisekoffer, während auf eins der beiden Betten hin Muffen und Mäntel samt allerlei Schals und Tüchern geworfen waren.
Renate schien auch jetzt noch kein Auge für diese Dinge zu haben, ließ alles liegen, wie es lag, und rückte nur den Tisch, um besseres Licht zu haben, an den Fensterpfeiler. Dann schob sie die rote Leinwanddecke, in die ein radschlagender Pfau weiß eingemustert war, ziemlich unsorglich beiseite und nahm ein Karlsbader Schreibnecessaire aus dem Koffer, das, wenn man es aufklappte, ein schräges Pult bildete. Aber die Tinte war fest eingetrocknet, so fest, daß selbst ein paar Tropfen Wasser nicht helfen wollten. So mußte denn anderweitig Rat geschafft werden. Sie nahm aus ihrem Notizbuch ein dünnes Bleistiftchen, das natürlich abgebrochen war, gab ihm eine Spitze, so gut es ging, und schrieb nun in Schriftzügen, deren schwer entzifferbare Form nur von ihrer Blässe übertroffen wurde, das Folgende:
» Bohlsdorf , den 1. Februar.
Liebe Marie!
Wir sind gestern um die vierte Stunde hier angekommen und fanden unseren Kranken in einem tiefen Schlafe, der auch jetzt noch anhält. Wie tief dieser Schlaf ist, zeigte sich
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