Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
alleine machen.«
Während sie noch diesen Stoßseufzer betete, schlug Lewin, ohne vorher einen unruhigen Schlaf gezeigt zu haben, beide Augen auf und sah die Krügersfrau freundlich an. Er war durch die letzte Stunde Schlaf ganz ersichtlich gestärkt worden. »Wo ist Renate?« fragte er. »Ich meine das Fräulein.«
»In der Kirche, junger Herr. Und die liebe Tante Schorlemmer auch. Ich bin eigentlich schuld, ich habe sie fortgeschickt; das heißt, ich habe sie darum gebeten. Denn wir haben heute eine Trauung; die Line vom ›Roten Krug‹. Sie hat einen Bauerssohn weggeschnappt, einen aus Dahlwitz. Na, ich gönn’ es ihnen.«
So schwatzte sie weiter.
Lewin hatte sich inzwischen aufgerichtet und schien Anteil an allem zu nehmen. Wer ihn aber schärfer beobachtet hätte, hätte sehen müssen, daß er mehr auf das Gezwitscher des Zeisigs als auf das Geplauder der Krügersfrau hörte. Endlich wandte er sich an diese und sagte: »Ich habe Hunger.«
»Weiß schon«, antwortete die Kemnitzen, und als sie noch ein paar Fragen getan hatte, wußte sie ganz genau, was der Kranke wolle, und lief in die Küche. Hier brannte, wie herkömmlich, das Feuer auf dem Herd; sonst aber hatte sie jegliches selbst zu beschaffen, da das Gesinde drüben in der Kirche war. Sie nahm eine Kasserolle vom Rauchfang, dann einen Mörser und begann mit viel mehr Lärm, als nötig gewesen wäre, zu klappern und zu stoßen. Sie schien sich in diesem Lärmen zu gefallen. Als sie nun aber durch die Küchentür wahrnahm, daß Kemnitz schläfrig hinter einem Fensterpfeiler hockte und auf die Dorfstraße sah, wo doch nichts zu sehen war, rüttelte und schüttelte sie ihn, zwang ihm ohne weiteres den Mörser in die Hand und rief ihm ärgerlich und auf plattdeutsch zu: »Stött en beten.«
»Wat denn, Lene?«
»Rük et; sunnst brukst du’t nich to weeten.« Und hiermit war sie schon wieder bis an die Küchenschwelle. Kemnitz aber, in den verschiedenen Pausen, die er sich gönnte, konnte deutlich hören, daß sie sich draußen an dem Tellerschapp zu schaffen machte.
So war eine gute Zeit vergangen, als das wiederbeginnende Orgelspiel anzeigte, daß die Zeremonie drüben zu Ende sei. Die Kirchentüren wurden geöffnet, und unter Vorantritt der Musik setzte sich der Hochzeitszug wieder in Bewegung. Mit unter den letzten, die die Kirche verließen, waren Renate und Tante Schorlemmer, die neben dem Orgelchor einen guten Platz gefunden hatten. Sie besprachen Pastor Lämmerhirts Rede, die der Schorlemmer nur wenig gefallen hatte. Renate dachte milder darüber. Als sie den Krug erreichten, fuhr auch Doktor Leist wieder vor.
Dieser war dem Zuge begegnet und in bester Laune. »Das bedeutet Glück!« rief er den beiden Damen zu und trat mit ihnen zugleich in den Flur. Das erste, was ihnen hier begegnete, war die Krügersfrau in Person. Sie kam die Treppe herunter und hielt ein Brett in Händen, auf dem Teller und Löffel lagen.
»Wie geht es?« fragte Renate.
»Gut, Fräuleinchen.«
»Ist er wach?«
»Ja.«
»Nun erzählt, liebe Frau«, sagte Doktor Leist. »Was hat es gegeben?«
»Nun, das gnädige Fräulein waren noch nicht lange fort, und der Prediger drüben konnte noch kaum angefangen haben, da schlug er die Augen auf. Ich meine, der junge Herr.«
»Und was sagte er?«
»Er fragte nach dem gnädigen Fräulein, und als ich ihm alles erzählt hatte, auch von der Line und ihrer Hochzeit, da sah er mich groß an und sagte: ›Ich habe Hunger‹. Und da dacht’ ich ja nu gleich an alles, was uns Doktor Leist gesagt hatte, und fragte bloß, was er haben wollte, und nannte ihm wohl zehnerlei. Es war aber immer nicht das Rechte, und er schüttelte den Kopf einmal über das andere und wurde verdrießlich. Zuletzt aber sagte er: ›Jetzt hab’ ich’s.‹ Und was war es? Können Sie sich’s denken, Fräuleinchen, eine Suppe war es. Und noch dazu eine Biersuppe. Und da fragt’ ich ihn bloß: ›Wie denn, junger Herr, mit Karwe oder mit Ingwer?‹ Und da lachte er still vor sich und sagte: ›Mit Ingwer.‹«
»Mit Ingwer«, wiederholte der alte Leist. »Da haben wir die Genesung. Es war ihm nicht gleichgültig, so oder so. Nein, mit Ingwer. Ja, meine Damen, so spricht die Natur. Ich gratuliere Ihnen und uns allen, und nun lassen Sie uns den Kranken sehen.«
Sie stiegen nun wieder treppauf und fanden Lewin aufrecht im Bette sitzend. Er erkannte den Doktor; als er aber die Linke heben wollte, um sie ihm zu reichen, sank sie matt auf das Bett
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