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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Krügersfrau hatte sich so hineingesprochen, daß ihr noch in der Rückerinnerung wieder die Tränen in die Augen kamen, aber sie fühlte auch zugleich, daß Reden und Aussprechen der beste Trost sei, und so fuhr sie fort: »Und wenn es noch so wäre wie den vorvorigen Sommer. Aber da haben wir ja jetzt den ›Roten Krug‹, keine hundert Schritt vom Dorf, nach Taßdorf zu. Ostern fing er an zu bauen, Pfingsten war alles unter Dach, und Johanni zog er ein. Er heißt Bindemeier und ist ein verdorbener Stellmacher; ein schlechter Mensch, der immer abbrennt und immer in Scheidung lebt. Er hat nun schon die dritte Frau; aber die Kinder sind von der ersten, auch die Line, die morgen Hochzeit macht.«
    »Hochzeit, wen heiratet sie denn?« fragte Renate.
    »Einen Dahlwitzer Bauerssohn. Erst sollt’ es ja nicht sein. Der Alte drüben wollte nicht, denn er ist geizig und hat den Bauernstolz. Aber da ging ja die Line nach Dahlwitz und hat den Alten so mitbehext, daß er jetzt Stein und Bein schwört, wenn der Junge sie nicht nähme, so wollt’ er sie selber nehmen, denn er ist Witwer.«
    »Ist sie denn so hübsch?«
    »Nein, hübsch ist sie nicht; aber sie hat so ein Wesen. Und von wem hat sie’s? Vom Vater hat sie’s. Und das ist es ja eben. Denn sehen Sie, Fräuleinchen, er hat bloß die Schankgerechtigkeit und ist gar kein richtiger Krüger, wiewohlen er den ›Roten Krug‹ hat; aber das muß wahr sein, das Krügern versteht er. Und mein Kemnitz versteht es nicht. Der kreidet gar nicht an und der andere doppelt. Und keiner, der in den ›Roten Krug‹ kommt, merkt es, weil er jedem zum Munde redet und immer eine Geschichte hat.«
    »Und möchten Sie tauschen?« fragte jetzt Renate, »und einen Mann haben wie den im ›Roten Krug‹?«
    »Um Gottes Willen nicht«, erschrak die Krügersfrau, »da hätt’ ich ja keine ruhige Stunde mehr.«
    »Sehen Sie, da haben wir das Geständnis Ihres Glücks. Sie haben den Frieden des Gemüts, der das Beste ist. Lassen Sie Ihren Mann nur ruhig schlafen; er ist ein guter Mann, und das ist gerade genug. Schläft er viel, so müssen Sie viel wachen; das hebt sich dann. Etwas fehlt immer, und irgendwo drückt der Schuh jeden; den einen hier, den andern da.«
    Die Krügersfrau seufzte. »Das hat mir Pastor Lämmerhirt auch gesagt«, und dabei erhob sie sich und schob die Teller zusammen. Aber auf ihr erstes Wort zurückkommend, setzte sie hinzu: »Ein schläfriger Mann ist doch nicht gut, das laß ich mir nicht nehmen.«
    Und damit verließ sie das Zimmer. –
    »Weißt du, an wen ich habe denken müssen?« fragte Renate.
    »Gewiß; an Maline.«
    »Nur daß der junge Scharwenka nicht schläfrig ist. Vielleicht zu wenig.«
    »Da drückt der Schuh am andern Ende«, schloß die Schorlemmer.
    Renate nickte, und müde von den Anstrengungen dieser Tage warf sie sich auf ihr Bett, um eine Stunde zu schlafen. Die Schorlemmer deckte sie mit einem Mantel zu und ging in das andere Zimmer hinüber. Hier setzte sie sich zu Häupten Lewins und begann an einem Strickzeug zu stricken, das sie sich von der Krügersfrau geborgt hatte, denn ihre Hände konnten nicht ruhen.
    Als die Sonne schon im Sinken war, brachen Renate und die Schorlemmer auf, um einen Spaziergang zu machen, wozu die Luft und die Beleuchtung aufforderten. Sie gingen die nach Taßdorf führende Pappelallee hinunter, an dem ›Roten Kruge‹ vorbei, wo schon alles in hochzeitlicher Vorbereitung war. Keines sprach; endlich sagte Schorlemmer, als ob sie wisse, daß Renatens Gedanken denselben Weg machten: »Und nun so weggenommen, ohne Vorbereitung und ohne Abendmahl und nichts in Händen als ein französisches Buch. Daraufhin wird einem nicht aufgetan.«
    Sie waren stehengeblieben und sahen jetzt über einem dunkeln Waldstreifen den Mond aufgehen, blaß und silbern.
    »Dorthin liegt Guse«, sagte Renate.
    Die Schorlemmer bejahte.
    »Ich glaube, sie begraben sie jetzt. Mir ist, als hörte ich das Singen.«
    »Möge Gott ihrer Seele gnädig sein!«
    Und beide falteten die Hände und gingen in das Dorf zurück.

Drittes Kapitel
     
    »So spricht die Natur«
     
    Die Nacht über hatten abwechselnd die Krügersfrau und eine alte Frau aus dem Dorfe bei Lewin gewacht; nun war es neun Uhr früh, und Renate und die Schorlemmer saßen wieder an seinem Bette. Er schlief unruhiger als die Tage vorher, und einzelne, freilich nur halb verständliche Worte kamen von seinen Lippen. In dem Zimmer lag ein heller Morgenschein, und das Eis schmolz von den

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