Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
einigermaßen überrascht.
»Gewiß, Kahniswall. Kennen Sie es? Eine Kolonistenanlage; früher ein Fischerhaus.«
»Ja, dann kenn ich es. Nicht von Ansehn, aber aus einer Erzählung. Und Robins Eiland, das dort im Rohrgehege mit den drei Pappelweiden schwimmt, muß dann just die Insel sein, wo meine Robinsonade spielt.«
Wir stiegen wieder auf Deck, und die Aufforderung erging an mich, zu erzählen, wobei es nicht an Zweifeln und scherzhaften Vorwürfen fehlte, ihnen, »den Halbautochthonen dieser Gegenden«, etwas Neues über die nördliche Wendei verraten zu wollen.
»Wir wissen hier Bescheid, wie in unserer eigenen Tasche; wir könnten Zivilstandsregister führen und Chroniken schreiben, und nun kommen Sie, um uns auf unserem eigenen Terrain eine Niederlage zu bereiten. Kahniswall, eine Robinsonade; was ist es damit?«
»Ich habe vor Jahren, als ich Geschichten aus dem Teltow sammelte, durch Güte eines Freundes davon erfahren. Es war eine briefliche Mitteilung und trug die Überschrift: ›Der Fischer von Kahniswall‹.«
»Nun, so lassen Sie hören.«
»Gut denn.«
Der Fischer von Kahniswall
»Fischer Kahnis hielt eine Fähre, da, wo der Bahnsdorfer Spreearm in den Seddin-See eintritt. Das Häuschen, das er bewohnte, war des sumpfigen Untergrundes halber von ihm selber auf einem eigens hergerichteten Damm oder Wall aufgeführt worden, und weil alles damals noch ohne feste Bezeichnung war, erhielt diese Wallstrecke, wo sein Häuschen stand, den Namen Kahniswall. Die Kolonisten von Gosen und Neu Zittau, seine nächsten Nachbarn, vergaßen über diesen Ortsnamen sehr bald den Namen dessen, der Wall und Häuschen erst geschaffen hatte, und nannten ihn, nach seiner Schöpfung, den ›Fischer von Kahniswall‹. Diese Bezeichnung verblieb ihm auch sein lebelang, trotzdem er, bei jungen Jahren schon, die nach ihm benannte Heimstätte verließ. In der Geschichte jedoch, die Sie nun hören sollen, werd ich ihn, der Kürze halber, einfach bei seinem Namen nennen.
Kahnis hatte eine junge Frau, eine Kossätentochter aus Schmöckwitz, die sehr blond und sehr hübsch war, viel hübscher, als man nach ihrem Geburtsort hätte schließen sollen. Er war, bei Beginn unserer Erzählung, drei Jahre mit ihr verheiratet und hatte zwei Kinder, Krausköpfe, die er über die Maßen liebte. Seine Hanne aber liebte er noch viel mehr. Hatte sie doch, allem Dreinreden unerachtet, aus bloßer Neigung zu ihm – er war ein stattlicher Spreewende – eine Art Mesalliance geschlossen.
So kam der Oktober 1806. Eh der Unglücksmonat zu Ende war, waren die Schelmen-Franzosen in Berlin und drei Tage später auch in Köpenick. Hier sah sie nun unser Kahnis. Es waren Kürassiere von der Division Nansouty. Als er hörte, daß ein paar Schwadronen auch auf die umliegenden Dörfer gelegt werden sollten, überkam ihn ein eigentümlich schreckhaftes Gefühl, eine Eifersuchtsahnung, ein Etwas, das er bis dahin nicht gekannt hatte. Wer wollt es ihm verargen? Er war gerade gescheit genug, um zu wissen, daß die Weiber, in ihrer ewigen Neugier, das Fremde und Aparte lieben, und sosehr er seiner Hanne unter gewöhnlichen Verhältnissen traute, sowenig glaubte er ihrer sicher zu sein, wenn es sich um einen Wettstreit mit den Nansoutyschen Kürassieren handelte, die alle sechs Fuß maßen und einen drei Fuß langen Roßschweif am Helme hatten. Ich muß sagen, daß er sich hierin, wie in vielen anderen Stücken, als ein einfacher, aber sehr verständiger Mann bewies.«
Kapitän Backhusen nickte zustimmend.
»Kahnis sann also nach, wie er der Gefahr entgehen könne, überschlief es und sagte dann anderen Tages früh: ›Hanne, komm; ich mag die Kerls nicht sehen. Sie haben keinen Herrgott und stehlen Kinder. Hier an der Straße sind wir nicht sicher vor ihnen. Ich weiß aber einen guten Platz, wo sie uns nicht finden sollen. Ewig wird es ja nicht dauern.‹ Daß er aus eifersüchtiger Furcht seinen Vorschlag machte, davon schwieg er. Er verfuhr wie immer die Ehemänner in ihrer Bedrängnis und tat alles ›um der Kinder willen‹. Hanne war eine gute Frau und zärtliche Mutter; zudem hielt ihre Erkenntnis gerade die Höhe von Schmöckwitz. Sie gab also unserem Kahnis einen herzhaften Kuß, zum Zeichen, daß sie mit allem einverstanden sei. Und das ist immer das Beste, was Frauen tun können.«
Kapitän Backhusen nickte abermals zustimmend.
»Gesagt, getan. Viel Zeit war ohnehin nicht zu verlieren. Unsere Fährleute gingen rasch ans Werk, und das
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