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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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es mit ihr. Aber das lag nun zurück; sie war es gewesen .
    Diese glückliche Stimmung zeigte sich auch in der Unbefangenheit des Gesprächs, das sich bald um den Grafen zu drehen begann.
    »Ist er mit den ostpreußischen Drosselsteins verwandt?« fragte Hirschfeldt.
    »Gewiß; er gehört ihnen zu«, antwortete Renate, »und es ist ein glücklicher Zufall, daß wir ihn trotzdem in unserer Provinz haben. Er erbte Hohen-Ziesar in den ersten Jahren seiner Ehe und bezog es, um in der Nähe des Hofes zu leben. Es war aus Rücksicht gegen seine junge Frau.«
    »So ist er verheiratet?« fragte Hirschfeldt weiter.
    »Er war es. Die Gräfin starb; erst Abzehrung, zuletzt ein Blutsturz, der sie tötete. Sie war sehr schön, eine Gräfin Lieven. Als sie starb, verbarg sich der Graf vor der Welt; er war nur dann und wann in Dresden, und es hieß, daß er zum Katholizismus übertreten werde.«
    »Die Drosselsteins zählen sonst zu den festesten Protestanten.«
    »Auch wohl der Graf. Aber es gibt Lagen – so wenigstens sagte die Tante, der ich auch die Verantwortung dafür zuschiebe –, wo der Protestantismus versagt und der Katholizismus das Herz weicher bettet.«
    »Und in einer solchen Lage war der Graf?«
    »Man behauptet es. Lewin mag Ihnen davon erzählen; es ist eine romantische Geschichte, und romantische Geschichten sind sein Steckenpferd. Übrigens alles in allem, ich glaube, was man sich erzählt. Sie werden das Bild der Gräfin sehen und mögen dann selber urteilen. Es hängt in dem Empfangszimmer: eine blaßblaue Robe, mit weißen Rosen besetzt. Nur eine, dicht über dem Gürtel, ist dunkelrot. Und das Bild wurde doch zwei Jahre vor ihrem Tode gemalt.«
    »Sonderbar«, sagte Grell, der sich inzwischen auf seinem Rücksitz eingerichtet hatte.
    »Ja, das ist es. Aber es überrascht in Hohen-Ziesar weniger als anderswo. Das Schloß ist reich an Sonderbarkeiten, darunter Ausgegrabenes aus Herkulanum und Pompeji: Pinzetten und Broschen und, denken Sie sich, eine Nagelschere. Der Graf war lange dort und hat alle diese Dinge mitgebracht.«
    »Und ich werde mich freuen, sie kennenzulernen«, entgegnete Grell, »möchte jedoch der prophetisch gemalten roten Rose den Vorzug vor allem anderen geben.«
    »Und darin haben Sie recht«, erwiderte Renate. »Und auch darin, daß Sie mich an mein verlorenes Thema mahnen. Die pompejanische Schere schnitt mir den Faden entzwei. Aber wovon wollt’ ich sprechen? Ja, von sonderbaren Bildern in Hohen-Ziesar. Nun, auch davon ist die Hülle und Fülle da. So zum Beispiel ein Bildnis der ›weißen Frau‹.«
    »Der weißen Frau!« riefen Grell und Hirschfeldt a tempo und mit einer Lebhaftigkeit, als ob ihnen dieselbe bereits erschienen wäre. Dann setzte Hirschfeldt hinzu: »Aber seit wann lassen sich die Gespenster porträtieren?«
    »Nein«, lachte Renate. »So Pikantes darf ich Ihnen freilich nicht in Aussicht stellen. Es ist das Porträt eines schönen Hoffräuleins aus den letzten Regierungsjahren des Großen Kurfürsten, Wangeline von Burgsdorff. Sie starb jung und muß als ›weiße Frau‹ umgehen, um ihre Schuld im Tode zu büßen. Natürlich eine Liebesschuld.«
    Hirschfeldt lächelte. Grell aber, der alles etwas pedantisch nahm, wiederholte den Namen »Wangeline von Burgsdorff« und setzte dann hinzu:
    »Ich war der Ansicht, daß es eine Gräfin von Orlamünde sei, auf der Plassenburg heimisch und, wenn ich mich nicht irre, auch auf dem Bayreuther Schloß. Es ist mir noch in Erinnerung, daß ich als Kind immer mit Gruseln von den ›vier Augen‹ las, die ›zwischen stünden‹ und aus der Welt geschafft werden müßten. Ich verstand es nur halb, aber um so mehr erregte es meine Phantasie. Und nun hör’ ich einen anderen Namen: Wangeline von Burgsdorff.«
    »Sie dürfen mich nicht examinieren«, erwiderte Renate. »Wollen Sie mehr wissen, so muß das Haupt der Kastalia nachhelfen. Sage, Lewin, wie war es?«
    Aber dieser, statt Auskunft zu geben, zeigte nur, während er die Leinen in seine Linke nahm, mit der Rechten auf das hinter Parkbäumen eben sichtbar werdende Schloß und sagte: »Der Graf selber mag uns antworten.«
    Wenige Minuten später hielt der Schlitten auf der nach dem Garten zu gelegenen Rampe, wo Drosselstein seine junge Freundin bereits erwartete und ihr beim Aussteigen die Hand reichte. So traten sie durch eine Doppeltür in das Empfangszimmer ein. Hirschfeldt und Grell folgten.
    Das Empfangszimmer war ein großer quadratischer, fast durch die ganze Tiefe

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