Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Offizier und Mann von Ehre gezeigt habe.«
Bamme faßte sich zuerst. Er hatte, wie Berndt und alle anderen, bei Beginn der Erzählung von einer Barnim-Lebuser Waffentat zu hören geglaubt und war, als der Name Tettenborn fiel, einen Augenblick ernstlich verstimmt gewesen, die ganze geträumte Landsturmherrlichkeit auf ein neues Kosakenstückchen hinauslaufen zu sehen. Aber der alte General war nicht der Mann, irgendeinem Ärger länger als zwei Minuten nachzuhängen, hatte vielmehr umgekehrt ein ausgesprochenes Talent, auch das Ärgerlichste sofort wieder von der guten Seite zu nehmen.
»Ziehen wir die Summe, Vitzewitz, so haben wir uns aus drei Gründen zu gratulieren: erstens hab’ ich recht behalten (was in meinen Augen immer eine Hauptsache bleibt), zweitens haben wir den Conte samt seinen hundert Mann und drittens haben wir die Kosaken oder doch ihre Vorhut diesseits der Oder. Ärgerlich genug, denken Sie. Aber wie die Dinge liegen, bleibt uns nichts übrig, als mit jedem Winde zu segeln, auch mit diesem Windbeutel von Tettenborn. Also keine Kopfhängerei, Vitzewitz. Etwas wird auch für uns noch übrig bleiben, und wenn es bloß der Vizekönig wäre, nach dem Sie sich bei Schulze Kniehase so teilnehmend erkundigt haben.«
Das half, Berndt gewann seine gute Laune wieder, und eine Fahrt nach Hohen-Ziesar, welches letztere Bamme, trotz seiner vieljährigen Beziehungen zu Drosselstein, noch immer nicht kennengelernt hatte, wurde verabredet. Der alte Vitzewitz entschied sich für eine vorgängige schriftliche Anmeldung und ging in sein Arbeitskabinett hinüber, die nötigen Zeilen zu schreiben.
Auch alle anderen erhoben sich: Grell und Hirschfeldt, um unter Lewins Führung das Dorf und die Kirche kennenzulernen, der alte General, um bei Seidentopf einen Besuch zu machen. »Ich muß mir seine Scherben mal wieder auf alte Bekannte hin ansehen und vielleicht auch seine Münzen. Trajan, Hadrian, Antoninus Pius. Weiter komm’ ich nie. Sonderbar, daß ich immer gerade bei dem stecken bleibe.«
Nur Tubal hatte sich ausgeschlossen und ging in das Eckzimmer hinüber, wo er hoffen durfte, die Damen zu treffen. Oder doch wenigstens seine Kusine. Und er hatte sich nicht getäuscht. Renate, mit einer Perlenstickerei beschäftigt, saß in der Nähe des Fensters und zählte auf einem vor ihr liegenden Muster die Stiche.
»Störe ich?«
»Nein, aber ich glaubte, die Herren seien ins Dorf gegangen und in die Kirche. Oder hast du, wie der alte General, eine Abneigung gegen Kirchen?«
»Ich zog es vor, zu bleiben. Darf ich einen Stuhl nehmen, Renate?«
Sie nickte zustimmend.
»Unsere Stunden hier sind gezählt«, fuhr er fort. »Hirschfeldt wird ungeduldig, ihm brennt der Boden unter den Füßen, und was ich dir zu sagen habe, duldet keinen Aufschub.«
Renate gedachte des Gesprächs, das sie mit dem alten Ladalinski in der Bohlsdorfer Kirche geführt hatte. Es lag ihr daran, es zu keiner Erklärung kommen zu lassen, wenigstens in diesem Augenblick nicht; so ging sie, um Fragen zu verhüten, vor denen sie bangte, selbst zu Fragen über.
»Hast du Briefe?« sagte sie. »Ich meine Briefe von Kathinka.«
»Nicht Briefe, aber flüchtige Zeilen. Ich empfing sie vorgestern, den Tag vor unserer Abreise.«
»Und von wo?«
»Von Myslowitz, einem Städtchen an der Grenze. Die Güter des Grafen sind in der Nähe.«
»Darf ich wissen, was sie schreibt?«
»Ich habe keine Geheimnisse, Renate. Und hätt’ ich sie, so würd’ es mich glücklich machen, sie mit dir teilen zu können.«
»Ich dürste nie nach Geheimnissen, aber ich bin voller Verlangen, von Kathinka zu hören. Bitte, lies.«
Und Tubal las:
»Myslowitz, 4. Februar.
Mein lieber Tubal!
Wir gehen morgen über Miechowitz und Nowa-Gora auf Bninskis Güter. Ein katholischer Geistlicher wird uns begleiten. Ich gedenke (Bninski wünscht es) in unsere alte Kirche zurückzutreten. Es ist nichts in mir, was mich daran hindern könnte; alles in allem gefällt mir das Römische besser als das Wittenbergische. Schreibe mir bald. Ich bin begierig, von Euch zu hören, von allen . Ich denke stündlich an Papa und jetzt oft auch an unsere Mutter. Du begreifst. Bninski will nach Paris; er ist, wie ich ihn mir gedacht, und ich bin glücklich, ganz glücklich. Freilich ein Rest bleibt. Ist es unser Los oder Menschenlos überhaupt?
Deine Kathinka .«
Eine Pause trat ein.
Dann sagte Renate: »Und diese Zeilen sollen dich nun begleiten. Es ist schön, ein liebes Wort mit
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