Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Händen Dohnas oder Schöns oder Auerswalds hätte dieser Aufruf eine andere Gestalt gewonnen. Seine Tugend ist die Vorsicht, er hat den Hofstempel; was ihm fehlt, ist die Sprache der Gradheit und Männlichkeit.«
Bamme wollte scharf antworten, bezwang sich aber, um keine Störung aufkommen zu lassen, und sagte nur: »Sonderbar, je nordöstlicher, desto verpflichteter werden wir jetzt. Wir verdanken den Ostpreußen viel, aber noch mehr, so scheint es, sollen wir den Kosaken verdanken. Wir haben sie seit gestern diesseits der Oder. Haben Sie schon von dem Überfall zwischen Alt-Rosenthal und Trebnitz gehört? Hundert Mann gefangen. Es wird Aufsehen machen.«
Der Graf war noch ohne Nachricht. Er ließ sich erzählen, folgte mit sichtlichem Interesse den etwas starkgefärbten Bammeschen Schilderungen und war nur schließlich überrascht, sich ohne weiteres »zu Herbeiführung nunmehriger gemeinschaftlicher Operationen« aufgefordert zu sehen. Nicht mit Tettenborn, sondern mit Tschernitscheff in Person.
»Sie müssen ins Hauptquartier, Drosselstein«, resolvierte Bamme, »und zwar morgen schon. Unser eigener Kopfbestand ist in diesem Augenblick besser, als er nach acht Tagen sein wird. Jetzt hab’ ich noch einen Aide-de-Camp; aber wie lange bin ich seiner sicher? Jede Stunde kann er auf und davon fliegen. Also rasch. Es muß ein größerer Coup unternommen werden, und ich habe so meine Pläne. Aber dazu bedürfen wir der Russen. Sie kennen ja Tschernitscheff und alles, was um ihn her ist, von Ihren Petersburger Tagen her.«
Bamme, trotzdem er von den seinerzeit umgehenden Gerüchten gehört haben mußte, sprach doch von diesen »Petersburger Tagen« wie von einer lieben Erinnerung des Grafen und würde noch tiefer in den etwas diffizilen Gegenstand eingedrungen sein, wenn nicht Drosselstein durch rasches Akzeptieren der Mission alles erledigt und zu seiner weiteren Sicherheit an Renaten die Frage gerichtet hätte: »Wo nehmen wir den Kaffee?«
»Natürlich in der Galerie.«
»Dort, fürcht’ ich, ist es zu kalt.«
»Gleichviel. Die Herren haben die Pflicht, abgehärtet zu sein, und ich stecke mich in Muff und Mantel.«
Drosselstein war es zufrieden, flüsterte gleich darauf dem hinter seinem Stuhle stehenden Diener einige Worte zu und lenkte dann das Gespräch auf Faulstich und Nippler hinüber, deren gemeinschaftliches Kantatenwerk als ein neutraler Boden für die Konversation angesehen werden konnte. Bamme – nachdem zuvor Nipplers Ansprüche auf den Titel eines »verkannten Genies« untersucht und mit Stimmengleichheit verneint und bejaht worden waren – sprach bei dieser Gelegenheit die Hoffnung aus, daß die Kürze des Textes durch die Komposition nicht wieder in Frage gestellt werden möge.
Dieser zugespitzte Satz bot einen guten Tafelschluß. Drosselstein erhob sich, und nachdem er seine Gäste noch einige Minuten in dem Empfangszimmer festzuhalten gewußt hatte, bat er sie, wie es Fräulein Renate befohlen habe, den Kaffee in der Galerie nehmen zu wollen.
Zwölftes Kapitel
Die weiße Frau
Diese »Galerie«, nach Norden hin gelegen, zog sich durch den ganzen linken Flügel des Schlosses. Sie bestand aus drei Sälen, von denen der vorderste die Familienbilder enthielt, einige davon mit großer historischer Staffage. Die Gardinen waren auch hier geschlossen, ein Kaminfeuer brannte, und der Kaffeetisch war inmitten des Saales serviert. Was aber mehr als alles dies das Auge der Eintretenden gefangennahm, waren zwei auf hohen Tripoden stehende Silberschalen, die, zu beiden Seiten des Kamins plaziert, ihre blaßblauen Spritflammen in zwei leise zitternden Säulen aufsteigen ließen. Der Graf hatte dies angeordnet, um den kalten Raum rascher zu erheizen, aber vielleicht mehr noch um des malerisch-phantastischen Effektes willen. Und dieser Effekt war erreicht. Es fehlte nicht an Beglückwünschungen.
In weitem Halbkreise wurde Platz genommen, und während der Kaffee herumgereicht wurde, zeigte Renate, die jetzt zwischen Grell und Hirschfeldt saß, auf ein unmittelbar vor ihnen hängendes Bildnis in ganzer Figur, das im Schein der beiden blauen Flammen an gespenstigem Leben zu gewinnen schien.
»Das ist sie.«
Grell rückte seinen Stuhl zurück, um besser sehen zu können, und sagte dann: »Ein schöner Kopf, aber unheimlich.«
»Ich vermute«, setzte Hirschfeldt hinzu, »daß aus dem unheimlichen Ausdruck dieser Augen die Sage selbst entstanden ist; sie fordern zu der Annahme heraus, daß sie
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