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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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des Hauses gehender Saal, hinter dem nur noch ein schmaler Korridor lief. Der Korridor sah auf den Innenhof, wie der Empfangssaal auf Garten und Park. In diesem Saale ließ sich auf den ersten Blick erkennen, daß der Besitzer von Hohen-Ziesar reich und vielgereist und von gutem Geschmack in den bildenden Künsten sein müsse. An der einen Wand hing ein großes Tableau, halb Architektur, halb Landschaft, das alte ostpreußische Schloß der Drosselsteins darstellend. Diesem Tableau gegenüber befand sich das Bild der verstorbenen jungen Gräfin. Grell suchte die rote Rose und fand sie. Er hatte sich die Rose noch röter und die Gräfin selbst noch schöner gedacht, also eine doppelte Enttäuschung, von der die zweite wahrscheinlich nur eine Folge der ersten war. In allen Fensternischen befanden sich Orangeriekübel und Blumentische, während an den drei anderen Seiten des Saales Konsolen von schwarzem Marmor liefen. Auf diesen standen römische Kaiser mit roteingeschriebenen Namen. Bamme, der schon eine Viertelstunde lang da war, hatte zwei, drei davon gelesen: Geta, Caracalla, Alexander Severus, und war dann mit einem hingemurmelten »nicht zuviel auf einmal« von der Konsolenreihe zurückgetreten; eine ziemlich dunkele Bemerkung, die sich wahrscheinlich auf seine verwandten numismatischen Vormittagsstudien bei Seidentopf bezogen hatte.
    Das Gespräch war über Oberflächlichkeitsfragen noch kaum hinaus, als Drosselstein Renaten seinen Arm bot, um diese zu Tische zu führen. Eine zurückgeschlagene Doppelportiere zeigte den Weg in das nebenangelegene Eßzimmer. Hier brannten schon – die Gardinen waren geschlossen – zwei achteckige zierliche Kandelaber und gaben Licht genug, das Zimmer in allen seinen Teilen erkennen zu lassen. In die Stuckwände waren antike Mosaiken eingelassen, Darstellungen von Wild, Geflügel, Fischen, während an der Decke die »Hochzeit der Psyche« nach Giulio Romanos gleichnamigem Fresko im Palazzo del Té zu Mantua eine für unsere damaligen Kunstverhältnisse bemerkenswert gute Nachbildung gefunden hatte. Bamme sah nichts von all diesen Dingen, desto mehr Grell, dessen natürlicher Sinn dafür im Moltkeschen Palais ausgebildet worden war.
    Renate hatte den Platz zwischen Drosselstein und Bamme. Dieser, vielleicht von Jugend auf, jedenfalls aber seit den Tagen der Guser Tafelrunde fest an dem Satze haltend, daß Medisieren das beste Mittel zu Durchbrechung aller bloßen Unterhaltungspräliminarien sei, warf sich heute mit Ungestüm auf Seidentopf, den er schon mehrere Stunden früher, in der Hohen-Vietzer Pfarre, bei Vorführung des »Odinswagens« zum Opfer für die bevorstehende Dinerkonversation ausersehen hatte. Freilich mit schließlich ausbleibendem Erfolg; ausbleibend, weil er sich, wie der Augenschein lehrte, wieder einmal geirrt oder, um ihn selber zu zitieren: »wieder einmal vor nicht ganz richtigen Ohren« gesprochen hatte. Drosselstein nämlich war zu vornehm, um überhaupt viel zu lachen, Lewin und Renate hatten den Justizrat über eben dasselbe Thema besser und mit noch größerem Behagen perorieren und phantasieren hören, und Berndt – sonst nach Art aller ernster angelegten Naturen ein allerdankbarstes Publikum für Scherz und Heiterkeiten – steckte doch gerade heute zu tief in seinen Plänen, um sich an Bammes Exkursen über die sechs vorgeblichen Odinsvögel ergötzen zu können. Er nahm vielmehr eine flüchtige Pause wahr, um mit einem kurzen »ad vocem Seidentopf« dem ihm gegenübersitzenden Drosselstein die Mitteilung zu machen, daß er, in seiner Eigenschaft als Patron, die Verlesung des »Aufrufes« von der Kanzel für nächsten Sonntag angeordnet habe.
    Und nun rollte statt des »Odinswagens« das Thema »Aufruf« eine Viertelstunde lang friedlich über den Tisch hin, bis von seiten Drosselsteins die mehr oder weniger provozierende Bemerkung gemacht wurde, daß er in dem Aufrufe das Ostpreußische vermisse. Er fühle wohl, daß er durch ein solches Wort den Vorwurf einer gewissen Parteilichkeit auf sich lade; der Geist der Provinzen sei nun aber mal ein verschiedener, und die Haltung des märkischen Adels, dem er dadurch nicht zu nahe zu treten gedenke, werde jedenfalls zu sehr durch persönliche Beziehungen bestimmt. Davon wisse man sich in seiner heimatlichen Provinz frei. » Ihr Stolz«, so schloß er, indem er sich gegen Vitzewitz und Bamme leise verneigte, »ist die Loyalität, die Diskretion, die Reserve; unser Stolz ist die Freiheit. Unter den

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