Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
stationierten Invaliden irgendwelchen Aufschluß erwartete. Sie wußten absolut nichts von jenem Schlachtfelde, das jahraus, jahrein zu ihren Füßen lag und dessen bestellte Wächter sie waren, und nichts von jenem Kirchhof, um dessen Besitz einst so heiß gestritten ward.
Und so mag sich denn im nachstehenden ein Überblick über die damalige politisch-militärische Situation und daran anschließend eine kurze Beschreibung der »Bataille« geziemen.
Die Schlacht bei Großbeeren
am 23. August 1813
Napoleon, als der Waffenstillstand abgelaufen und Österreich dem Bündnisse Rußlands und Preußens beigetreten war, richtete sein Hauptaugenmerk auf Berlin. Er beschloß, sich desselben zu bemächtigen, und ordnete zu diesem Zwecke die Bildung einer aus dem 4., 7. und 12. Corps bestehenden Armee an, an deren Spitze er den Marschall Oudinot stellte. »Sie werden mit einer solchen Armee«, hieß es in einer dem Marschall um die Mitte des August zugebenden Generalordre, »den Feind rasch zurückdrängen, Berlin einnehmen, die Einwohner entwaffnen, die Landwehr auflösen und die Haufen schlechter Truppen zerstreuen.« Infolge dieser Ordre betrat Oudinots Armee, deren Sammelplatz Luckau gewesen war, am 19. die Mark, rückte gegen Baruth und stand am 22. abends in dreimeiliger Entfernung von Berlin: das 4. Corps Bertrand bei Jühnsdorf, das 7. Corps Reynier bei Wietstock, das 12. Corps Oudinot zwischen Trebbin und Thyrow. Oudinot nämlich, wie gleich hier hervorgehoben werden mag, hatte nicht bloß den Oberbefehl über das Ganze, sondern auch noch den Spezialbefehl über das letztgenannte 12. Corps.
Am andern Tage sollte der Vormarsch gegen Berlin fortgesetzt werden, zu dessen Schutze die vom Kronprinzen von Schweden (Bernadotte) kommandierte Nordarmee zwischen Ruhlsdorf, Heinersdorf und Blankenfelde Stellung genommen hatte. Der nächste Tag mußte voraussichtlich einen ernsten, vielleicht sogar den entscheidenden Zusammenstoß bringen.
Und dieser Zusammenstoß fand auch wirklich statt. Eh ich jedoch eine Darstellung desselben gebe, versuch ich eine Schilderung der sich gegenüberstehenden Streitkräfte.
Die Oudinotsche Armee, 70 000 Mann stark, bestand aus neun Divisionen, von denen fünf fremden Nationalitäten angehörten: zwei waren sächsisch, eine bayerisch, eine württembergisch und eine italienisch. Aber auch die verbleibenden vier französischen Divisionen ließen an Zuverlässigkeit allerhand vermissen, da man bei der letzten Aushebung auf das ersatzpflichtige Alter keine Rücksicht genommen, vielmehr blutjunge Leute, die fast noch im Knabenalter standen, mit herangezogen hatte. Besonders unzuverlässig war die zum 7. Corps Reynier gehörige Division Durutte, die zum größten Teil aus Réfractairs, das heißt aus solchen, die sich der Aushebung bis dahin zu entziehen gewußt hatten, aus Déserteurs und Verbrechern gebildet war. Von den Befehlshabern kamen nur Oudinot und Reynier in Betracht, aber auch hinsichtlich ihrer blieb manches zu wünschen. Oudinot machte den Oberbefehl nicht genügend geltend, ja vermied sogar die persönliche Berührung mit seinen Untergeneralen, während Reynier unlustig und erbittert über die Zurücksetzung war, die Napoleon ihn beständig erfahren ließ.
Die diesseitige Nordarmee war viel stärker und umfaßte bis gegen 100 000 Mann. Aber auch die dieser zugehörigen Truppenteile waren von gemischter Nationalität und unterstanden, was der Hauptübelstand war, einem Oberbefehlshaber, der, ohne jedes Herz für die Sache, nur seinem persönlichen Interesse nachhing – ein Übelstand, der noch schwerer ins Gewicht gefallen wäre, wenn nicht der Geist der beiden preußischen Heerführer, Bülow und Tauentzien, und kaum minder der in ihren Landwehren, aller mangelhaften Ausbildung und Bewaffnung unerachtet, anzutreffende preußische Kampfesmut eine Balance geschaffen hätte. Jedenfalls standen wir hinter der Oudinotschen Armee nicht zurück und hatten keinen Anspruch darauf, von Napoleon als »schlechte Truppe« und sogar als »Gesindel« bezeichnet zu werden. Der nächste Tag sollte denn auch zeigen, daß er die Rechnung ohne den Wirt gemacht und »l’enfanterie prussienne« sehr unterschätzt hatte.
Beginn der Schlacht
Der rechte französische Flügel, das 4. Corps Bertrand, dirigierte sich am 23. in aller Frühe schon von Jühnsdorf gegen Blankenfelde, das bereits am voraufgegangenen Tage durch das diesseitige IV. Corps unter General
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