Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Gesetze nicht hält. Und daran geht jede Dynastie zugrunde; auch im Reiche der Gespenster.«
Renate lachte und sagte dann: »Aber, General, da geraten Sie doch in einen argen Widerspruch mit sich selbst. Sie proklamieren erst Ihre Vorliebe für alles Stürzen und Absetzen, will sagen, für alles Auflehnen gegen das gegebene Gesetz, und im selben Augenblicke rechnen Sie es Ihrer armen Orlamünderin zum Schaden und Nachteil an, die Gesetze ›im Reiche der Gespenster‹ nicht gehalten zu haben. Wie wollen Sie da heraus?«
»Eine heikle Situation«, replizierte Bamme. »Soviel muß ich zugeben, meine Gnädigste. Aber ich will es wenigstens versuchen, aus dem Dilemma herauszukommen. Sehen Sie, da hab’ ich diesen letzten Winter ein englisches Trauerspiel, den ›König Richard III.‹, aufführen sehen. Eine sehr interessante Figur, tapfer, rücksichtslos und, was die Hauptsache ist, diabolisch vergnügt. Nun, ich darf wohl sagen, ich habe mich gefreut, ihn unter seinen Brüdern und Lords aufräumen und sich die Krone aufsetzen zu sehen; aber ich kann nicht behaupten, mich am Schlusse des Stücks über die fatale Lage, in die er sich durch ein halbes Dutzend allerliebster Morde gebracht sieht, im geringsten gewundert zu haben. Mit anderen Worten, ich lese gern von Stürzen und Absetzen und gedenke bei diesem Geschmack zu bleiben, aber ich find’ es andererseits nur in der Ordnung – außerdem auch eine Steigerung meines Vergnügens –, den Stürzer und Absetzer schließlich selbst an die Reihe kommen zu sehen. Illegitimitäten sind interessant und von einem gewissen Standpunkte aus sogar angenehm und begehrenswert, aber sie bleiben doch zuletzt sie selbst, das heißt Dinge, für die früher oder später gezahlt werden muß. Menschen oder Gespenster, macht keinen Unterschied.«
»Und was sind denn nun die ›Illegitimitäten‹ oder die Ungehörigkeiten Ihrer armen Orlamünderin, zu deren Sturze Sie selber mitarbeiten wollen?«
»Zweierlei, meine Gnädigste. Erstens: sie hält nicht das Haus, ist vielmehr ein Wandergespenst, eine ganz unstatthafte Spezies. Sie spukt reihum und bereist alle alten und neuen Hohenzollernschlösser: Plassenburg, Bayreuth, Berlin. Das scheint eine Kleinigkeit, ist aber ein Kardinalverbrechen. Es gibt Reiseprediger, aber keine Reisegespenster. Das ist gegen die Konvention.«
»Es mag gegen die Konvention sein«, antwortete Renate, »aber es ist hübsch und gefällt mir um ebensoviel besser, wie mir der Hund besser gefällt als die Katze. Ich stelle die Herrentreue höher als die Treue gegen das Haus.«
»Eine feine Doktorfrage«, sagte Bamme, »in der ich mich nicht gleich zurechtzufinden weiß.«
»Gut; aber Sie sprachen von zweierlei. Was haben Sie weiter? Was war Ihr zweiter Anklagepunkt gegen die weiße Frau?«
»Etwas, wobei ich leider noch weniger auf Ihre Zustimmung rechnen darf, denn es ist eine Bekleidungsfrage.«
»Doch erzählbar?«
»Durchaus; Seidentopf würde darüber predigen können.«
»Nun denn.«
»Nun denn. Dasselbe Ausdauern, das ich von meinen Gespenstern in Lokalfragen verlange, verlang’ ich auch von ihnen in Toilettenfragen. Aber was zeigt sich tatsächlich? Dieselbe Libertinage. Dreihundert Jahre lang haben wir eine schlichte ›weiße Frau‹ gehabt, nonnenhaft mit Schleier und Skapulier. Das war in der Ordnung. Da geschieht nun was? Hören Sie: Eines Tages, völlig unmotiviert, vervornehmt sie sich und beginnt eine Krause zu tragen. Schlimm genug; mais enfin immer noch une dame blanche. Da plötzlich vollzieht sich das Unerhörte, und als wolle sie sich über sich selbst und uns mokieren, erscheint sie tout-à-fait in einer schwarzen Parüre, mit Astrachanmuff und dito Pelzbesatz. Und so haben wir denn jetzt eine ›schwarze weiße Frau‹. Das ist das vorläufig letzte Stadium, wenigstens in Bayreuth. Wie es in Berlin steht, muß erst das nächste Auftreten entscheiden.«
»Und wie deuten Sie sich das alles, ist es ein wirklicher Spuk oder Täuschung und Betrug?«
»Tausendkünstler und Gespenstergeschichtenerzähler, meine Gnädigste, haben Erlaubnis, jede Aufklärung zu verweigern. Aber ich gebe sie dennoch. Den Mondschein und das wehende Handtuch außer Spiel gelassen, mögen Sie sicher sein, daß es von vier Fällen dreimal ein verdrießlicher Kastellan und das viertemal ein hübsches kleines Hoffräulein ist, ein junges Blut…«
In diesem Augenblicke wurde Justizrat Turgany gemeldet.
»Sehr willkommen!« sagte Drosselstein, und der
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