Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Angemeldete trat ein.
Dreizehntes Kapitel
Der Plan auf Frankfurt
»Wie stehen Sie zu der weißen Frau?« rief Renate dem eintretenden Justizrat entgegen, der seinerseits, ohne sich verwirren zu lassen, unter leichtem Gruß gegen die Fragestellerin antwortete: »Gut, meine schöne Freundin. Ich stehe zu allen Frauen gut.«
»Auch zu den weißen?«
»Auch zu den weißen«, wiederholte Turgany. »Ganz besonders aber zu der Bayreutherin, die letzten Sommer wieder viel von sich reden machte. Natürlich in den Zeitungen. Ich halte sie für die patriotischste Frau des Landes, seit sie den großen Empereur zweimal aus ihrem Schlosse hinausgespukt hat. ›Ce maudit château‹ waren seine höchsteigenen Worte. Aber vertagen wir das. Ich möchte zunächst bitten, mich mit den beiden Herren ad latus Fräulein Renates bekanntzumachen.«
Drosselstein stellte Grell und Hirschfeldt vor, die alsbald nach einer kurzen, in Sprüngen geführten Unterhaltung überrascht waren, den Justizrat in alle Geheimnisse der letzten Kastaliasitzung eingeweiht zu finden. Als sie dieser Überraschung Ausdruck gaben, sagte Turgany: »Sie vergessen, meine Herren, daß ein Jurist verpflichtet ist, Aug’ und Ohr überall zu haben, zumal in Zeiten wie die jetzigen. Ich habe mich eben zu Ihrer Verwunderung über Calcar und die Seydlitzsporen verbreitet, aber was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen auch von den andern, historisch beglaubigteren Sporen erzählen wollte, die seitens des Generals O’Donnell in der Kathedrale zu Tarragona aufgehängt wurden.«
In solchen Andeutungen ging es weiter. Alle waren neugierig geworden, bis sich zuletzt das Rätsel löste. Himmerlich, ein jüngerer Studiengenosse Othegravens, stand in Korrespondenz mit diesem und ermangelte nie, über die literarischen Wochenvorgänge zu berichten. Von Othegraven kam es dann an Turgany.
Dieser hatte Platz genommen, und während er noch, unter fortgesetzten Aperçus, in denen er exzellierte, seine Tasse ausnippte, sagte Drosselstein: »Und nun, Turgany, was verschafft uns die Freude, Sie hier zu sehen? Ich bin Erfahrungsmann genug, um Ihnen irgend etwas wie Geschäfte von der Stirn zu lesen. Auch ist mir Ihr Sprühfeuer verdächtig. Ich fürchte, die Dusche kommt nach. Was ist es? Etwas Juristisches?«
»Nicht doch«, entgegnete Turgany. »Höher hinaus. Politisch-militärisch.«
»Das wäre«, sagte Drosselstein, und Berndt und Bamme horchten auf, ohne zunächst an einen rechten Ernst zu glauben.
Der Justizrat aber wiederholte: »Politisch-militärisch. Lassen Sie mich gleich in medias res gehen. Ich darf es doch? Wir sind unter uns?«
Drosselstein nickte.
»Nun denn«, begann Turgany, »was mir zu sagen obliegt, ist kurz das: Wir haben seit drei Tagen den französischen General Girard in unserer Stadt, von der Armee des Vizekönigs, mit ihm zwei schwache Regimenter, keine zweitausend Mann.«
»Kriegskasse?« fragte Bamme.
»Nein, aber fünfzig Kanonen, bronzene Acht- und Zwölfpfünder. Und auch das ist nicht zu verachten. Die Tage sind vor der Tür, wo wir sie werden brauchen können, brauchen in der richtigen Direktion, das heißt mit Front gegen Westen. Der ›Aufruf‹ verschweigt es, aber man muß zwischen den Zeilen lesen.«
Berndt und Bamme wechselten Blicke des Einverständnisses; Turgany fuhr fort:
»Also zweitausend Mann und fünfzig Kanonen. Es fragt sich, ob die Mittel da sind, einen Überfall gegen diese feindlichen Streitkräfte zu wagen. Auf die Frankfurter Bürgerschaft, oder doch auf einen starken Bruchteil derselben, ist mit Sicherheit zu rechnen. Und im Namen dieser Bürgerschaft bin ich hier. Othegraven, der an der Spitze steht, ist entschlossen, mit zwölf Mann alten Soldaten, die sich freiwillig gemeldet haben, den General Girard gefangenzunehmen. Zugleich Stab und Adjutantur des Generals. Was die Besatzung angeht, so befindet sie sich in der Dammvorstadt, an der andern Seite der Oder. Alles liegt also daran, die Verbindung zwischen hüben und drüben zu stören. Das Aufeisen des Flusses hat zu beiden Seiten der Brücke bereits begonnen; diese selbst wird geopfert werden, wenn es die Umstände fordern. Hier haben Sie, was unsererseits geboten werden kann.« Der Justizrat schwieg einen Augenblick. Dann fuhr er fort: »Lassen Sie mich noch ein paar Worte hinzusetzen. Ihre Landsturmkräfte, soweit ich eingeweiht bin, reichen mutmaßlich für das Unternehmen aus, sie werden aber sicher ausreichen, wenn die Russen, die nur drei Meilen von
Weitere Kostenlose Bücher