Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
von Potsdam, also Bornstedt, Sacrow, Fahrland, Falkenrehde, Marquardt, Uetz und Paretz am Nordufer der Havel und ebenso Werder, Glindow, Petzow, Caputh etc. am Südrande hin, entstanden unter seiner Führung, und was von ernsten und heitren Geschichten unter all diesen Kapitelüberschriften enthalten ist, entnahm ich zu sehr wesentlichem Teile seinem immer frischen und anschaulichen, weil überall aus der Erlebnisfülle schöpfenden Unterwegs-Gespräche. Mit einer wahren Herzensfreude denk ich an jene Sommernachmittage zurück, wo wir, von den Dörfern und Ziegelöfen am Schwielow-See heimkehrend, auf einer vor ein paar ausgebauten Häusern von Alt Geltow liegenden Graswalze zu rasten und unser sehr verspätetes Vesperbrot aus freier Hand einzunehmen pflegten, ohne daß der Redestrom auch nur einen Augenblick gestockt hätte. Da vergaßen wir denn der Flüchtigkeit der Stunde, bis die Mondsichel über den kleinen Giebelhäusern stand und uns erinnerte, daß es höchste Zeit sei, wenn wir, oder doch wenigstens ich , den Zug noch erpassen wollten. Und immer rascher und geängstigter ging es vorwärts, jetzt über die Gewehrfabrik und jetzt über den öden und sommerstaubigen Exerzierplatz hin, und nun hörten wir das erste Läuten. Oh, wie das ins Ohr gellte, denn die vollgestopfte Brücke lag noch zwischen uns und unsrem Ziel. Also Trab, Trab! Und ein ewiges und verzweifeltes »Pardon« auf der Lippe, das uns freilich vor dem üblen Nachruf aller Karambolierten nicht schützen konnte, ging es endlich, zwischen den pickenden Sperlingen hin, entlang den Droschkenstand, entlang den Perron und nun hinauf die Treppe, bis ich keuchend und atemlos und mit eingebüßtem Taschentuch in das nächst offenstehende Coupé hineinstürzte. »Gute Nacht.« Und fort rasselte der Zug.
Es war wie Dauerlauf und Turnerfahrt aus alten Schul- und Ferientagen her und gab einem auf Augenblicke das Gefühl einer ach auch damals schon auf lange hin zurückliegenden Jugend wieder. Und schon das war ein Glück.
Und von manch ähnlichem Tage könnt ich noch berichten! Aber die »Wanderungen« selbst erzählen davon, und so brech ich denn ab und schließe mit dem Wunsche, den ich schon einmal, und zwar bei Beginn des Werkes, aussprechen durfte, »daß das Lesen dieser Dinge dem Leser wenigstens einen Teil der Freude bereiten möge, den mir das Einsammeln seinerzeit gewährte«.
Berlin, 14. November 1881
Th. F.
FÜNFTER TEIL: FÜNF SCHLÖSSER
Vorwort
Fünf Schlösser! Fünf Herrensitze wäre vielleicht die richtigere Bezeichnung gewesen, aber unsere Mark, die von jeher wenig wirkliche Schlösser besaß, hat auf diesem wie auf jedem Gebiet immer den Mut der ausgleichenden höheren Titulatur gehabt, und so mag denn auch diesem märkischen Buche sein vielleicht anfechtbarer, weil zu hoch greifender Titel zugute gehalten werden. Nur Plaue war wohl wirklich ein Schloß.
Das Buch einfach als eine Fortsetzung meiner »Wanderungen« zu bezeichnen oder gar in diese direkt einzureihen ist mit allem Vorbedacht von mir vermieden worden, da, trotz leicht erkennbarer Verwandtschaft doch auch erhebliche Verschiedenheiten zutage treten. In den »Wanderungen« wird wirklich gewandert, und wie häufig ich das Ränzel abtun und den Wanderstab aus der Hand legen mag, um die Geschichte von Ort oder Person erst zu hören und dann weiterzuerzählen, immer bin ich unterwegs, immer in Bewegung und am liebsten ohne vorgeschriebene Marschroute, ganz nach Lust und Laune. Das alles liegt hier anders, und wenn ich meine »Wanderungen« vielleicht als Plaudereien oder Feuilletons bezeichnen darf, so sind diese »Fünf Schlösser« ebenso viele historische Spezialarbeiten, Essays, bei deren Niederschreibung ich, um reicherer Stoffeinheimsung und noch häufiger um besseren Kolorits willen, eine bestimmte Fahrt oder Reise machte, nicht eine Wanderung.
Zu meiner besonderen Freude hat ein glücklicher Zufall es so gefügt, daß die zu verschiedenen Zeiten und ohne Rücksicht auf ein Ganzes entstandenen Einzelarbeiten in ihrer Gesamtheit schließlich doch ein Zusammenhängendes bilden, eine genau durch fünf Jahrhunderte hin fortlaufende Geschichte von Mark Brandenburg, die, mit dem Tode Kaiser Karls IV. beginnend, mit dem Tode des Prinzen Karl und seines berühmteren Sohnes (Friedrich Karl) schließt und an keinem Abschnitt unserer Historie, weder an der Joachimischen noch an der Friderizianischen Zeit, weder an den Tagen des Großen Kurfürsten noch des
Weitere Kostenlose Bücher