Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
diesem Widerstande bewog, ob Kuratoren-Herrschergewohnheit oder Launenhaftigkeit oder bloß die Lust, einem andern die Pläne zu kreuzen und das Spiel zu verderben, ist nicht recht ersichtlich, aber das steht fest, daß er sich von Anfang an gegensätzlich, ja geradezu feindlich gegen Wülknitz stellte, den er doch, aller zuzugebenden Eigennützigkeit des letzteren unerachtet, als einen Retter der Familie hätte begrüßen müssen. Aber davon war er weit entfernt und faßte vielmehr seine Kuratorenstellung einfach dahin auf, daß die beiden unschuldigen und bedrohten Parteien, Kettler und Oertzen, gegen die beständig machinierende Partei Wülknitz unter allen Umständen geschützt werden müßten. Dieser in der Persönlichkeit beider begründete Antagonismus zeigte sich im großen und kleinen, und als Wülknitz, um nur ein Beispiel zu geben, unmittelbar nach der Pachtübernahme die doch mindestens nicht zu verachtende Summe von 40 000 Talern in das devastierte Hoppenrade hineingesteckt hatte, schrieb Rabe an Baron Oertzen: »Er wird bald damit ausgewirtschaftet haben; uns aber kommen die 40 000 Taler unter allen Umständen zugute.«
Das waren nicht Worte, die freundliche Beziehungen anknüpfen konnten, und so ging denn der Krieg durch volle zwanzig Jahre hin. Im Vorteil blieb auch hier wieder Wülknitz, weil er doch der gescheitere war, was von Rabe selbst schließlich anerkannt wurde. »Respekt vor Wülknitz. An dem hab ich meinen Mann gefunden. Der hat mich überlistet.« Und Wülknitz seinerseits versicherte: »Wo Rabe hinsieht, gibt es ein Loch; sein Blick brennt bis auf die Haut, und wenn ich den dicksten Flaus anhabe.« Beide waren märkische Naturen, wie sie nicht schöner gedacht werden konnten, scharf und schneidig, auch wohl, wenn es nichts kostete, mit Gemütlichkeitsallüren, aber immer eulenspiegelsch, vorsichtig und sarkastisch. Unter allem, was in ihrer Seele blühte, war die blaue Blume der Romantik, insonderheit aber die des romantischen Vertrauens am spärlichsten vertreten.
Im Jahre 56 (nach andern Angaben erst am 4. Dezember 58) war Wülknitz auf jedem Punkte Sieger, alles war geglättet, und er erstand Hoppenrade für die Summe von 350 000 Talern.
Hoppenrade wird freier Besitz des Kammergerichtsrats von Wülknitz. 1856 bis 60
Wülknitz, so sagt ich, war Sieger, und dieser endliche Sieg war ihm zu gönnen, ihm, der auf jedem erdenklichen Gebiete so viel Rührigkeit und Energie gezeigt hatte. Denn was sich auch, wie wohl kaum zu bestreiten, von Selbstischem in sein Tun mit eingemischt haben mochte, das Geleistete war groß, und alle Teile hatten schließlich ihren Vorteil davon. Aus den brachliegenden Ländereien waren wieder gut bestellte Felder, aus dem niedergeschlagenen 9000-Morgen-Forst ein neu heranwachsender Wald und aus dem vernachlässigten Viehstand eine Stammschäferei geworden.
Er hatte gewonnen, wonach er gestrebt, aber eigentliches Glück war doch nicht seiner Mühen Lohn gewesen. Er kam, wie schon mehrfach bemerkt, aus dem Kampfe nicht heraus, und wenn auch zuzugestehen ist, daß er sein lebelang nicht bloß kampfesmutig, sondern auch kampfeslustig war, so ward ihm doch schließlich des Kämpfens zu viel. Besonders hart litten die Seinen unter seiner beständigen Arbeit und Unrast, am meisten die Frau, die nicht nur die ruhigen und idyllisch-heiteren Prinz-Heinrich-Tage, wenigstens als Kind, noch mit erlebt hatte, sondern auf deren Herz und Gemüt auch alle die weichen und liebenswürdigen Eigenschaften ihrer Mutter, unsrer Krautentochter, übergegangen waren. Es ist erschütternd, in einem mir vorliegenden Briefe von ihrem Betroffensein zu lesen, als sie nach siebzehn Jahren, und nun als »Pächterin«, in das einst so schöne Schloß Hoppenrade zurückkehrte. »Das war also die Stätte meiner Kindheit und meiner Jugend; alle Tapeten von den Wänden gerissen und Löcher in den Dielen. Niemand da, der mich empfing, und da saß ich denn auf dem Koffer, der eben abgeladen war, und sah vor mich hin und in eine sorgenvolle Zukunft.«
Hoppenrade seit 1860
Und was nun noch zu berichten ist, ist kurz.
Hoppenrade blieb nur auf wenige Jahre hin ein freier und ritterschaftlicher Besitz in von Wülknitz’ Händen. Am 15. Oktober 1860 bereits ging es durch Kauf an den Kammerherrn und Erbmundschenk von Vorpommern, Hellmuth von Heyden-Linden , über, der die ganze Kaufsumme bar auszahlte. Sämtliche Kinder und Enkel aus der Krautentochter-Deszendenz, und zwar, außer den
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