Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
auch sehr ärgern. An Stelle des von Stettin ausmarschierten 22. Regiments kam neuerdings das in Spanien ruinierte 27. wieder durch Zehdenick. Früher gehörte es zum Soultschen Corps, stand in hiesiger Gegend und war damals über 1800 Mann stark. Anjetzo, trotzdem schon eine Konskriptions-Ergänzung dazu gestoßen ist, zählt es nur 450 Mann. Von den alten Offizieren war keiner mehr dabei, so hat Spanien damit aufgeräumt. Möchten sie doch alle so siegen.
L., den 13. September 1809
Ich war vorige Woche in Berlin, aber der Aufenthalt daselbst ist mir ganz zuwider. Ich habe da nichts von frischer Luft, und ein Gang Unter den Linden will auch nicht viel besagen. Wenn ich hier in Liebenberg bin und Unbehaglichkeit fühle, setze ich mich aufs Pferd und befinde mich besser.
Neues weiß man hier gar nicht. Oft hört man ganz widersprechende Nachrichten. Die Friedensbedingungen, hieß es, wären: daß Salzburg, Tirol und Vorarlberg dem Herzoge von Würzburg zufallen sollten, wohingegen Bayern Würzburg bekäme. Galizien käme zu Warschau, der König von Sachsen würde König von Polen und der Herzog von Weimar König von Sachsen. Ich verbürge die Wahrheit der Nachricht nicht, so viel aber scheint mir gewiß, daß man vor Tirol Respekt bekommen hat, wo der Herr Duc de Danzig (General Lefebvre) Gott hat danken müssen, daß er mit heiler Haut aus den Bergschlupfen entkommen ist.
Mißstimmung über den Gang der inneren Politik
Liebenberg, den 25. April
Die französische Niedertracht wächst mit jedem Tag und ruiniert uns noch das bißchen von Anstand, Gesinnung und guter Sitte, was wir uns aus besseren Tagen gerettet. Über die Spioniererei in Magdeburg hat uns Frau von A. denn doch eine Beschreibung gemacht, die alles übertrifft; Freunde müssen bei verschlossenen Türen und alsdann auch nur sachte sprechen. Und in den Zeitungen wird der Welt tagtäglich von unserem Glück und Wohlbefinden erzählt.
L., 6. Juni
Bei der hiesigen Regierung ist man mit Verabschiedungen neuerdings sehr liberal gewesen. Der Direktor Groote trat freiwillig zurück, aber die Räte von Winterfeldt, Bonsery, Nagel sind entlassen worden. Alle drei waren während des Aufenthalts der Franzosen viel in Verpflegungsmagazin- und Lieferungssachen gebraucht worden. Andere Räte und kleinere Beamte der Regierung sind auf kleine Pension gesetzt worden. Ich werde aus dem ganzen Verfahren nicht klug; hat man Ursach zu Mißvergnügen gegen Beamte, so lasse man sie richten und strafen , aber das démettre et chasser, ohne einen Grund anzuführen, setzt Beamte in die Kategorie eines Knechts, dem ich ohne weiteren Grund sagen kann: Du ziehst ab.
L., 10.Juli 1809
Ich kann mich mit der Umänderung unserer Staatsverfassung nicht befreunden und pflichte denen bei, die da sagen: früher hätten wir mittelmäßige Doctores gehabt, nun aber wären wir unter die Hände der Quacksalber geraten. Ich kann noch nicht einsehen, daß bei den Neuerungen mehr Ordnung und Tätigkeit eintrete; ich gehöre aber auch freilich zu den alten dummen Alltagsmenschen. – Daß Danckelmann nicht nach Berlin berufen und daselbst angestellt worden ist, ist verdrießlich. Aber nach meiner Ansicht von unserer Gesamtlage war es eigentlich nicht möglich. Denn verhehlen wir uns nicht, es ist eine Clique da, die über alles disponiert, und die wird sich hüten, andre als ihrem Kreis Angehörige in die Nähe des Thrones zu ziehen. Klage darüber zu führen ist unstatthaft und gilt für illoyal, unter Umständen auch für revolutionär. So steht es um unsere bürgerliche Freiheit! Etwas Freies soll weder gedruckt noch geschrieben werden. Friedrich ließ drucken und schreiben und bekümmerte sich um nichts.
L., 13. September
Der Großkanzler ist nun wieder in Berlin; von den übrigen Ministern hört man nichts. Dagegen höre ich, daß der Accoucheur Dr. Ripke nach Königsberg abgegangen ist. Ich bedaure die Königin über ihre Fruchtbarkeit, denn sie kann das viele Kindern nicht aushalten, zumal ihre Lage, wie die des ganzen Staates, sehr unangenehm auf ihr Gemüt wirken muß. – Es wird nun also wirklich an Rückkehr des Hofes von Königsberg nach Berlin gedacht. Am äußeren Jubel wird es bei der Gelegenheit nicht fehlen, ob er aber innerlich und dauernd sein wird, steht leider sehr dahin. Es kann sein, daß das Alter mich mürrisch und von schweren Begriffen macht, muß aber gestehen, daß ich alle Veränderungen als verderblich ansehe. Ich kann in den
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