Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
in Ordnung bekommen. Der häufige Gebrauch der China ist wohl mit schuld daran, denn wer kann so viele geraspelte Baumrinde verdauen!
L., den 17.Juni 1808
Hier ist alles auf die nächsten Begebenheiten gespannt. Es heißt die Franzosen würden im August alle abgehen, die Spanier und Portugiesen an ihre Stelle hierherkommen. Die Regimenter, die jetzt hier sind, meinen selbst, daß sie bestimmt wären, über den österreichischen Kaiser herzufallen, und dieser soll es auch erwarten, also sich zur Gegenwehr rüsten.
1809
Der Silberstempel. – Schill und der Herzog von Braunschweig. –
Der Krieg gegen Österreich. –
Mißstimmung über den Gang der inneren Politik. –
Königs Geburtstag (3. August); Theatersachen. –
Der Brand der Petrikirche. – Rückkehr der königlichen Familie
Der Silberstempel
Liebenberg, 15. April 1809
In Berlin war man über das Arrangement des Silberstempels , wenn ich sagen soll mit Recht, verdrießlich. In der großen Stadt, wo von sechs Meilen in der Runde alles Silberzeug hinfloß, war nur eine Stempel- und Empfangsstube; den Ersten sollte das Stempeln anfangen, und den Vierten waren erst die Stempel fertig. Die dahin strömenden Leute standen zu Hunderten vor der Tür bis auf die Straße, und die meisten sind zwei- bis dreimal unverrichtetersache dort gewesen. Das laute Murren mochte wohl Besorgnisse erwecken, denn nach sechs Tagen wurde eine zweite Stube und nun endlich eine dritte dazu eingerichtet welches noch alles nicht zureicht, weshalb der Termin bis zum 20. April hat hinausgerückt werden müssen. Mit den Bescheinigungen, die dabei ausgestellt werden, geht es ebenso absurd; über das Abgelieferte bekommt man einen Gewichtsschein, wobei ein viertel oder ein halb Lot oft übersehen wird. Dieser wird nach drei Tagen gegen einen Interimsschein eingelöst und dieser wieder nach drei Tagen gegen einen Münzschein. Wenn der Häsensche Herr solche Anordnungen gemacht hätte, so würde ich mich nicht wundern, aber von so weisen Herren kann man nur urteilen, daß sie zwar Neuerungen erdenken können, in der Ausübung jedoch Lehrlinge sind. Ein alter Bürger, der sein Silber wieder zurücktragen mußte, sagte ganz laut auf der Straße, »die Minister wären schlechte Praktiker; haben wollten sie, aber mit Ordnung zu nehmen, das wüßten sie nicht«. Diese Herren setzen sich in einen schlechten Kredit beim Publikum, und wenn sie nach Berlin kommen werden, wird man ihnen kein Vivat bringen. Auch in Breslau bringt die Silberstempelung viel ein. Die Münze ist schon in vollem Schlagen von Einsechstel- und Dritteltalerstücken begriffen; im ganzen kann dadurch leicht eine Million in Cours kommen.
Schill und der Herzog von Braunschweig
Liebenberg, den 6. April 1809
Unsere Zeiten sind nicht für den ruhigen Bürger geeignet, nur Tollköpfe, Schwindler und Schelme spielen darin eine Rolle. Unter die ersteren gehört auch gewiß der so belobte Held Schill, dessen Desertion mit einem ganzen Husarenbataillon aus Berlin eine unerhörte Sache ist. Der ehrliche alte Gouverneur Lestocq ist darüber außer sich, indessen konnte er das nicht vorhersehen, denn Schill hat sein Unternehmen so geheimgehalten, daß nicht einmal seine Offiziere davon etwas vermuten konnten. Wohin er ist, was er vor hat, mit wem er im Auslande in Verbindung steht, kann niemand erraten. Bei Tangermünde ging er über die Elbe, und da ist vorläufig ein Punctum in seiner Geschichte. Gewiß wird er als Deserteur zitiert werden. – Die Kriegsbegebenheiten beunruhigen mich sehr; in dem wehrlosen Zustand, worin wir uns befinden, kann ein jeder bei uns eindringen und uns ganz verderben.
den 23. Mai 1809
Schill ist ein exaltierter Mann, der vermutlich ausländische Korrespondenzen gehabt hat, die ihn durch allerlei Vorstellungen irregeleitet haben. Er war vor acht Tagen noch in Dömitz, einer kleinen Elbveste, dem Herzoge von Mecklenburg gehörig, deren er sich ohne Widerstand bemeisterte, denn es lagen darin nur ein paar alte Soldaten. Was er weiter vorhat, läßt sich nicht einsehn; indessen hat er Geld aus manchen Kassen zusammengebracht und sein Häuflein durch Zulauf vermehrt. In dem Gefecht unweit Magdeburg hat er fünf tüchtige Offiziere und einige dreißig Mann verloren; daß er aber die ihn angreifenden Westfälinger und Franzosen tüchtig zusammengesäbelt hat, davon sagen die Zeitungen nichts. Es ist aber doch wahr. Mir tut es leid, daß so ein brauchbarer Mann solche Tollheiten begeht;
Weitere Kostenlose Bücher