Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
26. Dezember 1809
Deinem Wunsche gemäß erfolgt hierbei eine kurze Geschichtserzählung vom Einzuge des Königs. Dieser Einzug war wegen des Frohsinns, der herrschte, außerordentlich rührend. Auch das Wetter begünstigte ihn, und der 23. war der einzige Tag, an welchem die Sonne ununterbrochen schien.
Drei Tage vor der königlichen Ankunft bekam der alte brave Lestocq seine Demission. – Auch diesen Mann mußte man abdanken, weil der allgemeine Wütrich – noch aus Groll wegen Major Schills irren Ritterzuges – solches als eine Satisfaktion verlangt hatte. Auf ein Verlangen von derselben Seite her ist Feldmarschall Kalckreuth zum Gouverneur ernannt worden. Lestocq kennt den ganzen Zusammenhang, er weiß, daß er ein Opfer der Politik ist, und wird vermutlich auf die Propstei nach Brandenburg ziehen. Der König hat ihn auf die ehrenvollste Art empfangen und ihn ganz allein zu einem Familiendiner gebeten; er behält sein volles Gehalt und ist zufrieden, so wie auch sie, die, nach so viel Unruhe, nun endlich Ruhe zu finden hofft. Kalckreuth wird hier nicht gern gesehen werden; er soll Ende Januar eintreffen, übrigens ohne seine Frau, die an der Luftröhrenschwindsucht ohne Hoffnung darnieder liegt. Vielleicht stirbt sie, eh er abreist.
Das Urteil gegen den Generallieutenant von Wartensleben hat uns, nebst noch anderen, die »Hamburger Zeitung« mitgeteilt; ich weiß nicht, warum man es nicht bei uns auch durch den Druck bekanntmacht. Unseres Fräuleins du Troussel Vater hat wohlgetan zu sterben, denn vermutlich hätt er ein Todesurteil bekommen. Der alte Romberg und der Kommandant Knobelsdorf zu Stettin würden ein gleiches Schicksal gehabt haben, wenn sie nicht zur Ewigkeit abgereist wären. Dem Wartensleben gönnt ein jeder sein Schicksal. Übrigens sehe ich, daß manche Militärs bloß nach Gunst wieder angestellt werden, dagegen andere, die tüchtige Kerls sind, zurückstehn müssen.
Der französische Gesandte soll sich gegen die Königin über die Freude des Volks beim Einzuge mit den Worten geäußert haben: »On voyait, que les acclamations n’étoient pas commandé.«
1810 und 1811
Vom Hofe. – Innere und äußere Politik. – Neue Minister. –
Der Tod der Königin. – Die Theoretiker. –
Justiz-Organisationsplan. – Der Tugendbund
Liebenberg, 22.Januar 1810
Wir haben nun also das Ordensfest gehabt, und sonderbar ist die Zusammenstellung derer, die dekoriert worden sind: Minister, Präsidenten, Prediger und Iffland. Alles ist bei uns russische Nachahmung; Originales haben wir nichts als unsre gutmütige Einfalt.
Berlin, den 11. Februar 1810
Hier ist nun der neue Gouverneur mit seiner Ehefrau angekommen. Er zeigt sich, sie aber nicht , weil sie kränkelt. Ich sah ihn letzte Woche bei Recks, wo er Visite machte, fand ihn aber so gealtert, daß ich ihn an anderem Orte schwerlich erkannt haben würde. Lestocqs leben vergnügt und ruhig; sie verlangen weiter nichts.
Recks sind wohl, ob sie aber mit der Gegenwart zufrieden sind, weiß ich nicht. Sie wünschen ihr Haus gut zu verkaufen, und dies gibt mir fast den Gedanken, daß sie Berlin zu verlassen wünschen. Mir wurde gesagt, daß sowohl er wie sie bei der großen Cour von dem König und der Königin kalt behandelt oder doch wenig beachtet worden wären. Indes ist das der Fall mit allen gewesen; die Cour hat nicht voll eine halbe Stunde gedauert, und vielleicht waren einschließlich des Militärs 800 Personen gegenwärtig. Es hat also unter zehn Personen kaum eine angeredet werden können. So viel ist andrerseits gewiß, daß die nächsten Umgebungen alles Alte zu entfernen suchen, und Nagler ist nun im engsten Sinne das , was sonst Beyme war. Letzterer, der gewaltig strenge sein soll, geht so gut seinen Gang wie die andern. Wenn den Ständen etwas entzogen werden kann, ist er mit dabei, schon deshalb, weil sein eignes Ansehen gewinnt, wenn er alle Mittelinstanzen zwischen Land und Minister verwischen kann. Unter allen Umständen soll’s mich wundern, was nun weiter versucht werden wird. Die Neuerungen verwirren alles dermaßen, daß zum Beispiel der Busenfreund, der sich in Königsberg um Brot- und Fleischpreise bekümmerte, letzthin selber in aller Naivetät bekannt hat, »nicht zu wissen, was die Neuerungen eigentlich bezweckten«. Ja, der Kerl soll letzthin dem Minister der Finanzen bei Vorlegung des neuen Etats gesagt haben, »er sähe wohl, daß er um 700 000 Taler höher als früher sei, wisse aber nicht warum«. Ich bin
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