Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Christuskopf nur relativ anzuerkennen, während die Frauengestalten unterm Kreuz vollends wieder in Trivialität und Zerrbildlichkeit versinken. – Von Scuoia San Rocco zum dritten und letzten Mal in die Akademie. Alle Hauptstücke nochmals ernsthaft gemustert. Außer der »Assunta«, die mich auch diesmal wieder ergriff, finden sich in Saal XV und XVI eine Menge sehr ausgezeichneter Sachen vor. Man kann hier die venezianische Schule studieren und lernt außer den bekannten drei Nummern: Tizian, P. Veronese und Tintoretto ein ganzes Dutzend andrer Größen kennen, unter denen viele sind, die sich neben P. Veronese behaupten und den Tintoretto übertreffen.
[…]
Aus der »Akademie« ins Hôtel zurück. Rechnung bezahlt. Billig; nur 80 Francs. Frühstück im Restaurant; dann, in entzückender Gondelfahrt, bis zum Bahnhof. Abfahrt 2 Uhr 35. Über Padua, Rovigno, Ferrara (lag da wie Weimar), Bologna, Pistoja nach Florenz. Ankunft in Florenz 11 Uhr abends.
Sonnabend d. 10. Oktober. Erster Tag in Florenz.
Brief: An Karl und Emilie Zöllner, Florenz, 10. Oktober 1874
Emilie Fontanes Aufzeichnungen vom 10. Oktober
Am Freitagabend in Casa Nardini, Borgo Santi Apostoli, abgestiegen. Großes Zimmer nebst Cabinet, für 4 Francs täglich. Alles gut und geräumig; die Leute prompt und freundlich. – Poste restante Briefe von George und Mete empfangen; in diesen Briefen leider auch die Nachricht von dem plötzlichen Tode unsres guten Fournier. – Den Vormittag über Briefe geschrieben und ein dickes Konvolut (zwei Briefe an den Chevalier, l an Hertz, l an die Kinder) zur Post gegeben. – Erster Gang auf die Piazza della Signoria; den Palazzo vecchio und die Loggia dei Lanzi aufrichtig bewundert. Als Bauwerk namentlich den erstren. Er rührt von (Arnolfo di Cambio) her, der auch den Dom zu bauen begann. Er muß ein Genie ersten Ranges gewesen sein.
Dann in die Trattoria delle antiche Carozze, Ecke der (Via Por S. Maria) und von Borgo SS Apostoli. Gut und billig gegessen.
Nach Tisch flaniert. Erst durch die (Via Calzatoli) bis zum Dom und dem Baptisterium. In den Dom hinein. Dann durch die (Via de servi) bis zur Chiesa Santa Annunziata; von dieser zur Kirche San Marco; ausgeruht auf einer Bank des vorgelegenen hübschen Platzes; dann durch die Via Cavour, in der sich der kostbare Palazzo Riccardi befindet, nach dem Platz am Dom und endlich nach der Piazza della Signoria zurück. Kaffe genommen; einen Guide gekauft; noch ein wenig flaniert. Blick in die Uffizien; dann nach Haus. Tee. Geplaudert, geschrieben, gelesen.
Sonntag d. 11. Oktober. Zweiter Tag in Florenz.
Emilie Fontanes Aufzeichnungen vom 11. Oktober
Um 10 auf die Piazza della Signoria; den Palazzo vecchio abermals bewundert; die Loggia dei Lanzi und ihre Skulpturen ernsthaft durchgenommen. Es sind:
Zwei Löwen am Eingang;
sechs Vestalinnen im Hintergrund (alt-griechisch);
der sterbende Ajax (griechisch);
der Raub der Sabinerinnen ;
Herkules besiegt den Zentaur ;
der Perseus (von Benvenuto Cellini) und
der Raub der Polixena (von Feddi; modern).
Alle diese Sachen sind sehr bedeutend. Der sterbende Ajax läßt mich ziemlich kalt; dagegen haben der »Raub der Sabinerinnen« und der »Perseus« einen starken Eindruck auf mich gemacht.
Von der Loggia dei Lanzi, durch das Gewirr alter Straßen hindurch, auf die entzückende Ponte vecchio zu, die in mancher Beziehung den Rialto in Schatten stellt, und dann über die Brücke fort bis zum Palazzo Pitti. Zunächst nur seine Fassade und den großen Hof in Augenschein genommen. Die Boboli-Gärten waren noch geschlossen. – Zurück nach Palazzo vecchio. Von dort aus, nach Anhören der sonntäglichen Wachparaden-Musik in den Uffizien, in die Galerie der Uffizien und daselbst gute zwei Stunden verweilt. Die Galerie ist im obersten Stockwerk, zu dem von den ersten Pfeilern des linken Flügels aus (vom Palazzo vecchio aus gerechnet) eine Treppe hinaufführt.
Die Hauptschätze dieser großen »Galerie der Uffizien« befinden sich in einem ziemlich kleinen Raum, einem überkuppelten Oktogon, das den Namen »die Tribuna« führt. Hier stehen zunächst fünf antike Skulpturenwerke ersten Ranges:
1. die mediceische Venus;
2. ein junger Apoll;
3. der tanzende Faun (Kopf und Arm durch Buonarotti ersetzt);
4. die Ringer;
5. der Schleifer.
Die letztgenannten beiden Skulpturen interessierten mich mehr als die ersten drei;
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