Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
und der wundervolle Blick, den es auf den weiten Bergkessel gewährt, in dem der Arno fließt und in welchem Florenz gelegen ist. Wir waren eine Stunde zu früh oben, aber nichtsdestoweniger waren wir entzückt. Nach einzelnen Seiten hin sieht man vierfachen, hier und dort mit Kastells besetzten Bergkranz den Kessel einschließen. Der Überblick über die Stadt ist von den Fenstern des Palastes Pitti aus klarer und orientierender, wenn auch weniger umfassend.
[…]
Um 4 Uhr zurück, an Villen und Klostergebäuden vorbei, von denen eines (Dominikaner) ein ausgezeichnetes Bild von Beato Angela (da Fiesole mutmaßlich) enthalten soll. Auch sei noch bemerkt, daß der höchste Punkt des Berges, auf dem Fiesole gelegen ist, ein mächtiges Klostergebäude trägt.
Im Zurückfahren einen etwas andren Weg eingeschlagen, der uns, statt nach der Porta San Gallo zur Porta Pinti führte, vor der der protestantische Kirchhof gelegen ist. Wir ließen halten und besuchten Herm[ann] Christian Greves Grab. Er ruht zwischen einem Polen und einem Engländer, von denen jener eine Woche vor, der andre eine Woche nach ihm starb. Wir nahmen einige Buchsbaum- und Kleeblätter mit, das einzige, was ich von Grün auf seinem Grabe fand.
Um 5 wieder am Dom-Platz. Noch einmal in den Dom, der auch diesmal bedrückend auf uns wirkte. Zu Gilli & Letta; dann nach Haus. Geschrieben; gepackt. Um 9 noch einmal auf den Ponte vecchio und von da aus durch die Uffizien auf die Piazza della Signoria, um uns alles einzuprägen und – Abschied zu nehmen. Ziemlich spät zu Bett.
Donnerstag den 15. Oktober. Reise von Florenz nach Rom.
Emilie Fontanes Aufzeichnungen vom 15. Oktober
Um 8½ Abreise von Florenz. Während der ersten Viertelstunde hat man immer noch das von seinem alten Klosterbau gekrönte Fiesole zur Seite.
Diesem Bilde entsprechend bleibt nun 8 Stunden lang die Fahrt. Die Unterschiede sind nicht sehr erheblich. Der Apennin läuft in hoher, kahler Kette zur Linken und stellt zwei, drei Reihen von Vorbergen in seine Front. Die vordersten Berge die niedrigsten. Auf diesen liegen die Kastelle, die Flecken, die Städte. Ein Kastell, ein Kloster, eine Kirche krönt meistens die Spitze, während die Ortschaften selbst mal höher, mal tiefer am Abhang liegen und entweder in einer einfachen Schräglinie in der Flanke des Berges oder in Terrassen in der Front desselben aufsteigen. Die Linien sind von außerordentlicher Schönheit, mitunter (namentlich gegen Abend) auch die Farben; im ganzen hat man aber doch, ganz abgesehen von dem Verfallenen und Heruntergekommenen, auch den Eindruck des Kahlen, Verbrannten, Ungemütlichen. Es heimelt nicht an. Keinen Augenblick hab ich die Empfindung gehabt: »hier möchtest du auch nur 24 Stunden sein«. Es ist gerade gut genug zum Vorbeifahren, zum Mit-Nachhausenehmen von einem Dutzend Oswald Achenbachs. Je mehr der Reisende weiß, je besser er die römische und italienische Geschichte kennt, desto entzückter und bewegter wird er auf eine Landschaft blicken, die von 100 Schritt zu 100 Schritt ihm wenigstens einen berühmten Toten herausgibt. Hier focht Hannibal, hier fiel Flaminius, hier dichtete Properz, hier malte Perugino, hier wurde Tacitus, hier Lucretia Borgia geboren. So geht es endlos weiter. Ich bin der Letzte, der die Zauber verkennt, die dadurch einer Gegend erwachsen. Aber, bei genaurer Prüfung, empfindet man doch immer wieder, daß es vorzugsweise ein poetisch-geheimnisvoll über der Landschaft schwebendes Etwas, die historische oder historisch-romantische Reminiszenz ist, die alle die Bilder, die sich vor uns entrollen, so schön, so einzig in ihrer Art erscheinen läßt. Die Bilder selbst bewirken dies nur zur kleineren Hälfte. Natur, Geschichte, Kunst unterstützen sich einander; wer aber einfach auf das angewiesen ist, was die Landschaftsbilder – von denen ich sagen möchte, daß sie einen Architektur-Charakter haben – ihm bieten, der wird, wenn er einigermaßen die Welt kennt und nicht direkt aus Treuenbrietzen nach Perugia versetzt wurde, einräumen müssen, daß es schönere, namentlich aber wohltuendere, herzerquickendere Gegenden gibt. Die Fahrt von Bonn bis Mainz, von Bern bis Interlaken, von Genf bis Lausanne, von St. Germain bis St. Denis, von London bis Richmond, von Kopenhagen bis Helsingör – ist schöner, erhebender. Das Herz geht einem mehr auf.
Die Ortschaften, die wir zu passieren hatten und von denen wir um so klarere Bilder gewinnen konnten, als die Bahn immer
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