Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Prachtexemplar, Vitzewitz«, sagte er. »Ich wollte, ich hätte so was in Groß-Quirlsdorf.«
Berndt schwieg und stützte den Kopf. Nach einer Weile sagte er: »Bamme, Sie sind ein Menschenkenner. War es nicht gewagt, unser Spiel auf diese Karte zu setzen? Können wir ihr trauen?«
»Unbedingt.«
»Und warum? Weil ihr altes Hexenherz an Lewin hängt?«
»Vielleicht auch deshalb. Etwas muß das Herz haben. Und je weniger es hat, desto fester hängt es dran. Es stirbt dafür. Gut oder böse macht keinen Unterschied.«
Berndt nickte.
»Aber«, fuhr Bamme fort, »das ist es nicht, weshalb ich ihr traue. Ich trau’ ihr, weil sie klug ist. Wissen Sie, was sie jetzt denkt?«
»Nun?«
»Die Franzosen werden nicht ewig im Lande Lebus bleiben, aber die Vitzewitze noch lange.«
»Und?«
»Und Bündnisse schließt man nur mit Dauermächten. Auch wenn man Hoppenmarieken heißt.«
Zweiun
dzwanzigstes Kapitel
Im Weißkopf
In denselben Stunden, in denen der über Lewins Gefangenschaft Auskunft gebende Brief den Weg von Frankfurt nach Hohen-Vietz hin machte, machte Lewin in Person den Weg von Frankfurt nach Küstrin . Nur die Breite des Flusses lag zwischen ihnen, und der alte Rysselmann, wenn er schärfer zugesehen hätte, hätte die französischen Eskortemannschaften erkennen müssen, die drüben am neumärkischen Ufer ihre Straße zogen. Es waren Voltigeurs, ausgesuchte Leute, die man unter den Befehl eines alten, schon in Spanien gedienten Sergeanten gestellt hatte. Und solche Vorsichtsmaßregeln waren mit gutem Grunde getroffen worden, denn hatten es die Russen auch tags zuvor an gutem Willen und jedenfalls an Worthalten fehlen lassen, so waren sie doch in der Nähe, durchschwärmten die Neumark und machten sich recht eigentlich eine Aufgabe daraus, kleine feindliche Kommandos wegzufangen. Das erheischte nur geringe Opfer und machte von sich reden. Dieser Sachlage waren sich die Begleitmannschaften auch voll bewußt und ließen es, um schlimmstenfalles nicht ohne Fürsprache zu sein, an Aufmerksamkeit gegen ihren Gefangenen nicht fehlen. Mußten sie doch fürchten, jeden Augenblick selber Gefangene zu werden.
Aber ihre Befürchtungen erfüllten sich nicht; die Kosaken, nach denen auch Lewin von Zeit zu Zeit ausgesehen hatte, kreuzten nirgends ihren Weg, und nachdem um Mittag die Kirch-Göritzer ausgebauten Häuser und bald darauf auch die Pulvermühlen von ihnen passiert worden waren, trafen sie Punkt zwei vor der Festung ein und lieferten ihren Gefangenen auf dem alten Küstriner Schloßhof ab. General Fournier d’Albe tat ein paar Fragen, die trotz aller Kühle doch Teilnahme verrieten, musterte die schlanke Gestalt Lewins und gab dann Befehl, ihn auf dem »Weißkopf« unterzubringen.
Lewin erschrak, als er diesen Namen hörte.
Der »Weißkopf« war ein auf Bastion Brandenburg stehender Rundturm, eigentlich nur das mannshohe Fundament eines solchen, von dem die Sage ging, daß es zwei, drei Tage vor der Hinrichtung Kattes als Schafott für diesen aufgemauert worden sei. Dies alles war nun freilich durch einige lebusische Spezialhistoriker, darunter auch unser Seidentopf, als nicht stichhaltig nachgewiesen worden; aber stichhaltig oder nicht, die bloßen Vorstellungen, die sich infolge dieser Sage an ebendiese Örtlichkeit knüpften, reichten gerade hin, den Gedanken eines vor einem Kriegsgericht Stehenden eine sehr trübe Richtung zu geben.
Und nach diesem »Weißkopf« hin wurde Lewin nun wirklich abgeführt. Ein Gefreiter und zwei Mann nahmen ihn in ihre Mitte, und unser Gefangener fürchtete schon, den Rest des Tages und vielleicht auch die Nacht in einem kellerartigen Gewahrsam zubringen zu müssen, als er im Näherkommen zu seinem Troste wahrnahm, daß auf dem mannshohen Unterbau des Turmes noch ein nicht unfreundlich aussehendes, aus Fachwerkwänden aufgeführtes Turmhäuschen stand, an das sich von außen her eine Holztreppe lehnte, acht oder zehn halbausgebrochene Stufen.
Und vor diesen Stufen hielt jetzt das Kommando. Der Schlüssel zu der kleinen eisenbeschlagenen Obertür fehlte, fand sich indes schließlich, als der Kastellan vom Schloß her herbeigeholt worden war, der nun öffnete und den Gefangenen eintreten ließ. Der Alte, solange der Gefreite da war, zeigte sich einsilbig und mürrisch genug; Lewin aber, aller mangelnden Menschenkenntnis unerachtet, konnte doch leicht erkennen, daß dieses einsilbig mürrische Wesen nur äußerlich angenommen war. Er durfte sich in der
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