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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Folge und unter vier Augen mehr Entgegenkommen von dem Alten versprechen. Vorläufig schloß dieser wieder ab, schob zum Überfluß noch einen Riegel vor und folgte dann dem abrückenden Wachkommando.
    Und nun war unser Gefangener in seinem Turmzimmer allein.
    Aber war es denn ein Zimmer? Die Mansardenstuben der alten Hulen hatten ihn nicht verwöhnt, und doch waren es Palasträume, verglichen mit diesem Erstenstockzimmer im »Weißkopf«. Es hatte fünf Schritt im Quadrat, und wenn er sich aufrichtete, berührte seine Filzkappe die Decke. »Wie lebendig begraben!« sagte er und schritt auf das Fenster zu, um wenigstens frische Luft einzulassen. Der rechte Flügel, den er zuerst öffnete, hing nur in der oberen Haspe, so daß er ihn um des Windes willen, der wehte, rasch wieder schließen mußte; mit dem linken Flügel aber ging es besser, und er hakte das Ösenstäbchen ein und sah nun den Fluß und das Land hinauf, das als ein Bild winterlicher Schöne vor ihm lag. Und alles in dem Bilde kannte er, und alles war ihm wohlvertraut. Da nach links hin die weite Fläche mit den Weidenbüschen am Ufer, das war die Krampe, wo die Kirch-Göritzer ihre Schlacht geschlagen hatten, und dahinter, an den Kusseln erkennbar, lief der Hohlweg, den er, als er mit Tubal von Dr. Faulstich kam, bei halbem Dunkelwerden passiert hatte. Und nun gar nach rechts hin ins Bruch hinein! Da dehnten sich, nur durch Pappelwege verbunden, die Gorgaster und Neu-Manschnower Gehöfte, und mitunter war es ihm, als sähe er den Hohen-Vietzer Turm und das Kreuz darauf, blitzend in der Nachmittagssonne. Lange hing er dem Bilde nach, dann zog er den Fensterflügel wieder heran und durchmaß den engen Raum.
    Fünf Schritt. In der Quere noch weniger, denn hier stand eine Bettlade. In dieser lagen vier, fünf Bretter, und zu Füßen lehnte ein Binsenstuhl, tief eingesessen, mit einzelnen, nach unten hängenden Halmen. Sonst nichts; nur ein paar eingekratzte Herzen in der Wand, und vier, fünf Namen darunter. Französische Namen. Also Neues, nichts Altes, nichts aus den Katte-Tagen her, und Lewin war so trostbedürftig, daß er in diesem geringfügigen Umstand einen Trost für seine bedrückte Seele fand.
    Eine Stunde mochte vergangen sein, als er wieder Tritte draußen hörte und gleich darauf den Alten eintreten sah, der inzwischen den Namen seines Gefangenen erfahren hatte und nun kam, um sich nach den Wünschen des »Junkers« zu erkundigen. Der General, so verschwor er sich, habe alles erlaubt, und was er nicht erlaubt habe, darüber würden zwei Landsleute doch miteinander reden können. »Nicht wahr, Junkerchen? Und dann, Junkerchen, es wird nichts so heiß gegessen, wie es vom Feuer kommt. Und der letzte Trost ist immer: › einen Tod kann der Mensch bloß sterben.‹«
    »Ja«, sagte Lewin, »aber wann?«
    »Ei, noch lange nicht. Ihr Sand, Junkerchen, ist noch nicht durchgelaufen. Bei Ihnen hat die Predigt erst angefangen. Und der Sand muß durch, eher ist es mit keinem nich vorbei.«
    Lewin dankte dem Alten für seinen Zuspruch und bat ihn um ein Nachtessen, was es sei, am liebsten eine Suppe. Aber nicht vor sieben Uhr. Wenn er ein Buch habe, so solle er es ihm schicken; er wolle sich ans Fenster setzen, solang es noch Tag sei, und sich die Zeit mit Lesen vertreiben.
    Der Alte versprach alles, und nicht lange – die kleine Schloßturmuhr schlug eben vier –, so wurden draußen Stimmen laut, und ein Klappen wie von Holzpantinen ließ sich auf den Treppenstufen vernehmen. Gleich darauf öffnete sich auch wieder die kleine Tür, und ein breitschulteriger, allem Anscheine nach auch riesengroßer Chasseur à pied – der, vornübergebückt, sich abmühte, ein breit zusammengeschnürtes Bündel durch die zu schmale Türöffnung hereinzuziehen – wurde von hinten her sichtbar. Ein altes Weib, mit vielem Kupfer im Gesicht, stand noch auf den Stufen draußen und schob nach. Endlich war das Bündel durch, und der Chasseur machte jetzt Front und begrüßte den Gefangenen mit einem halb gutgelaunten, halb spöttischen: »Bonjour, camarade«, in gleichem Tone hinzusetzend: »Voici votre équipage!«
    Lewin erwiderte den Gruß und musterte den jetzt aufrecht vor ihm stehenden Chasseur, der in seiner ganzen Haltung und Ausstaffierung als ein vollkommener Typus südfranzösischer Nonchalance gelten konnte. Sein Kollett stand offen, während seine beiden Füße in großen, mit Stroh gefütterten Holzschuhen steckten; offenbar ein gutmütiger, renommistischer

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