Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
war ein kleines Vermögen. Wir empfanden aber durchaus keine Reue darüber, lachten vielmehr bloß und sagten: »Ja, nach Apothekertaxe.«
Die vorgesetzte Zeit verging, die Dresdner Tage waren um, und wir schrieben Sommer 43. Ich kehrte nach Leipzig zurück und machte daselbst, nicht bloß durch Dichterfreunde, sondern, was mehr sagen will, auch durch einen zahlungskräftigen Verleger dazu bestimmt, einen ersten ganz ernsthaften Versuch, mich als Schriftsteller zu etablieren. Ich hatte nämlich verschiedene Skripta von Dresden her mitgebracht – war ich doch in meinen Mußestunden daselbst sehr fleißig gewesen – und hoffte nun, mit einer Auswahl der in Spenserstrophe geschriebenen Dichtungen eines in den vierziger Jahren in England sehr gefeierten Anti-Cornlaw-Rhymers – Mr. Nicolls – mich achtunggebietend in die Literatur einführen zu können. Der Verleger aber schien gerade diesen Spenserstrophen, die mir so sauer geworden waren, ein besonderes Mißtrauen entgegenzubringen und sprang plötzlich wieder ab, so daß mir, nach Aufzehrung meiner kleinen Ersparnisse, nichts anderes übrigblieb, als in das Haus meiner Eltern zurückzukehren. Hier kam ich auf die tolle Idee, meine Schulstudien wieder aufzunehmen, um nach absolviertem Examen irgendwas zu studieren. Am liebsten Geschichte. Voll Eifers ging ich dann auch auf Latein und Griechisch aufs neue los, und wer weiß, wieviel Müh’ und Arbeit – denn es wäre schließlich doch nichts geworden – ich damit vergeudet hätte, wenn ich nicht durch mein Militärjahr, das abzumachen höchste Zeit war, davor bewahrt geblieben wäre. Schon im Oktober, als ich von Leipzig nach Hause zurückreiste, hatte ich mich in Berlin beim Franz-Regiment gemeldet, und Ostern 44 war zu meinem Eintritt bestimmt worden. Dieser Termin war jetzt vor der Tür. Ich warf also Horaz und Livius, womit ich mich – nur dann und wann an Macbeth und Hamlet mich aufrichtend – ein halbes Jahr lang gequält hatte, froh an die Wand und machte mich nach Berlin hin auf den Weg, um bei dem vorgenannten Regiment mein Dienstjahr zu absolvieren.
Bei »Kaiser Franz«
Erstes Kapitel
Eintritt ins Regiment. Auf Königswache. Urlaub nach England
Die drei Bataillone des Kaiser-Franz -Regiments lagen damals in drei verschiedenen Kasernen: das erste Bataillon unter Vogel von Falckenstein in der Kommandantenstraße, das Füsilier-Bataillon unter Major von Arnim in der Alexanderstraße, das zweite Bataillon unter Major von Wnuck in der Neuen Friedrichsstraße. Regimentskommandeur war Oberst von Hirschfeld, Sohn des noch aus der friderizianischen Zeit stammenden Generals Karl Friedrich von Hirschfeld , der am 27. August 1813 das als »Landwehrschlacht« berühmt gewordene Treffen bei Hagelsberg siegreich führte, und Bruder des Generals Moritz von Hirschfeld , der von 1809 bis
1815 in
Spanien gegen Napoleon focht – später kommandierender General des achten Armeekorps – und über seine spanischen Erlebnisse sehr interessante Aufzeichnungen hinterlassen hat.
Ich war dem zweiten Bataillon, Neue Friedrichsstraße, zugeteilt worden und meldete mich bei Major von Wnuck, einem alten Kampagnesoldaten von Anno 13 her. Er nahm meine Meldung freundlich entgegen und kam dabei gleich auf die Unteroffiziere zu sprechen. »Und wenn einer sich einen Übergriff erlauben sollte«, so donnerte er, voll Wohlwollen, gegen mich los, »so will ich gleich Anzeige davon haben.« Er wiederholte das verschiedentlich, und ich erfuhr später, daß er das jedesmal zum besten gäbe, weil er, seit Jahren, einen Unteroffizierhaß ausgebildet habe, niemand wisse warum. – Das war Wnuck. Mein Hauptmann, sechste Kompanie, war eine Seele von Mann. Er hatte, wiewohl immer noch Hauptmann, schon Ligny und Waterloo mitgemacht, damals kaum fünfzehnjährig. Bei Ligny schoß er auf einen französischen Lancier und fehlte, worauf der Franzose lachend an ihn heranritt und ihm mit der Lanze den Tschako vom Kopfe schlug. Solche Geschichten wurden viel erzählt. Außer dem Hauptmann hatten wir noch drei Offiziere bei der Kompanie, alle drei von beinah sechs Fuß Größe, die stattlichsten im ganzen Regiment: von Roeder, von Koschembahr, von Lepel. Roeder kommandierte zwanzig Jahre später die brandenburgische Brigade – Vierundzwanziger und Vierundsechziger –, die den Übergang nach Alsen so glänzend ausführte; Koschembahr, soviel ich weiß, nahm noch in den vierziger Jahren seinen Abschied; Lepel war Bernhard von Lepel,
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