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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Lindenau hin gelegenen Vergnügungslokal allerliebste kleine Koteletts und ein Gemüsegericht dazu, das, glaub’ ich, »Neunerlei« hieß und als eine Leipziger Spezialität galt, oder saßen auch wohl in Gohlis mit dem Schauspieler Baudius zusammen – wenn ich nicht irre: Adoptivvater der Frau Wilbrandt-Baudius –, einem trefflichen Künstler und geistvollen alten Herrn. Es waren sehr angenehme Wochen. Ich erholte mich bei diesem flotten Leben sehr rasch, konnte bald wieder laufen und springen, und so kam es denn, daß wir alle drei, der Onkel, die Tante und ich, eine Fahrt in die Sächsische Schweiz verabredeten und auch machten. Es war entzückend, kannt’ ich doch nichts als Kreuzberg und Windmühlenberg und hatte deshalb von der Bastei mehr als später von Grindelwald und Rigi. Natürlich waren wir auch einen Tag in Dresden, aber ich sah mir von den dortigen Herrlichkeiten nichts an, weil es nach einer kurz vor Antritt dieser kleinen Reise geführten Korrespondenz für mich feststand, daß ich am ersten Juli nach Dresden gehn und in die dortige Struvesche Apotheke eintreten würde.
    Dieser Eintritt erfolgte denn auch und wurde von mir wie Gewinn des Großen Loses angesehen. Nicht ganz mit Unrecht. Struve galt für absolute Nummer eins in Deutschland, ich möchte fast sagen in der Welt, und verdiente diesen Ruf auch. Ich verbrachte da ein glückliches Jahr, wenn auch nicht ganz so vergnüglich wie das in Leipzig. Es war alles vornehmer, aber zugleich auch steifer. In einzelnes mich hier einzulassen – ich habe diesen Dingen vielleicht schon zuviel Raum eingeräumt – verbietet sich, und nur von zwei Nebensächlichkeiten möcht’ ich hier noch kurz erzählen dürfen.
    Der Eingangstür gegenüber, im Hintergrunde der Apotheke, befand sich ein sogenannter Rezeptiertisch, auf den sich – zumal in Sommerzeiten, wenn alles weit aufstand – der Blick aller Vorübergehenden ganz unwillkürlich richtete. Das mußte so sein. Hier standen nämlich, wie Tempelwächter, zwei schöne, junge Männer, ein Lüneburger und ein Stuttgarter, also Welfe und Schwabe, weshalb wir den Tisch denn auch den »Guelfen- und Ghibellinentisch« nannten. Beide junge Leute vertrugen sich so gut miteinander, wie das zwischen Rivalen an Schönheit und Eleganz nur irgendwie möglich war. In Schönheit siegte der Welfe, ein typischer Niedersachse mit einem mächtigen rotblonden Sappeurbart, an Eleganz aber stand er hinter dem Ghibellinen erheblich zurück. Dieser war nämlich, ehe er nach Dresden kam, ein Jahr lang in Paris gewesen, eigentlich nur zu dem Zwecke, sich in allem, was Kleidung anging, auf eine wirkliche Situationshöhe zu heben. Das war ihm denn auch gelungen. Ich hörte nicht auf, ihn darüber zu necken, was er sich gutmütig gefallen ließ, aber doch auch mit einem nur zu berechtigten Schmunzeln der Superiorität, denn was umgekehrt meine Garderobe betraf, so stammte sie zu drei Vierteln aus dem damals von meinen Eltern bewohnten großen Oderbruchdorfe, darin es statt Dusantoyscher Leistungen nur lange, dunkelblaue Bauernröcke gab. Ich konnte mit meinem Aufzuge, selbst wenn ich bloß schneiderliche Durchschnittskollegen gehabt hätte, nur ganz notdürftig passieren und mußte nun, meine Minderwertigkeit zu steigern, auch just noch diesen mich totmachenden falschen Pariser in nächster Nähe haben. Übrigens hatten beide Kollegen, gute Kerle, wie sie sonst waren, außer Sappeurbart und Rockschnitt herzlich wenig zu bedeuten, und wenn man an ihnen die damals noch ganz aufrichtig von mir geglaubte Stammesüberlegenheit der Niedersachsen und Schwaben hätte demonstrieren wollen, so wäre wohl auch der parteiischste Guelfen- und Ghibellinenbewunderer in einige Verlegenheit gekommen.
    Und nun noch ein zweites Geschichtchen aus jenen Tagen.
    Der Sommer 42 war sehr heiß, und weil Struve eben Struve war, so hatten wir natürlich so was wie freie Verfügung über die Struveschen Mineralwässer oder bildeten uns wenigstens ein, diese freie Verfügung zu haben. Selterser, Biliner usw. – alles mußte herhalten und wurde täglich vertilgt – unter reichlicher Zutat von Himbeer- und Erdbeer- oder gar von Berberitzensaft, den wir als eine besondere Delikatesse herausgeprobt hatten. Eines Tages beschlossen wir, so wenigstens in Bausch und Bogen herauszurechnen, wie hoch sich wohl all das belaufen möchte, was von uns sechs Gehülfen und drei Lehrlingen im Laufe des Jahres an Fruchtsaft und Mineralwasser ausgetrunken würde. Die Summe

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