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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zu dem ich schon seit fast vier Jahren in freundschaftlichen Beziehungen stand. Es tut das aber nicht gut, einen Freund und Dichtergenossen als Vorgesetzten zu haben. An ihm freilich lag es nicht; ich meinerseits dagegen machte Dummheiten über Dummheiten, worauf ich weiterhin zurückkomme.
    Die Freiwilligen in meinem Bataillon, wie beim Regiment überhaupt, waren lauter reizende junge Leute; die militärische Geltung jedoch, deren sich die gesamte Freiwilligenschaft damals erfreute, war noch eine sehr geringe. Das änderte sich erst, als, viele Jahre später, ein mit Ausbildung der Freiwilligen betrauter Hauptmann vom Gardefüsilier-Regiment sich dahin äußerte: »Das Material ist vorzüglich; wir müssen nur richtig damit wirtschaften: gute Behandlung und zugleich scharf anfassen.« Das war das erlösende Wort. Ich glaube, man weiß jetzt allerorten, was man an den Freiwilligen hat , und sieht in ihnen keine Beschwerde mehr. Als ich diente, hatte sich diese Anschauung noch nicht durchgerungen. Einer unter uns war ein Rheinländer, Sohn eines reichen Industriellen, erst achtzehn Jahre alt, Bild der Unschuld. Von diesem will ich sprechen. Er wurde, wie wir alle, nach einer bestimmten Zeit Vizeunteroffizier und erhielt als solcher ein Wachkommando. Man gab ihm das am Potsdamer Tor, wo sich damals noch, wie an vielen anderen seitdem eingegangenen Stellen, eine Wache befand. Hier kam nun ein arges Versehen vor, an und für sich nichts Schlimmes, aber dadurch schlimm, daß es sich um etwas, das mit dem Hofe zusammenhing, um Honneurs vor Prinzlichkeiten, gehandelt hatte, hinsichtlich deren irgendwas versäumt worden war. Es war derart, daß der arme junge Mann verurteilt und in das Militärgefängnis abgeführt wurde. Daß wir andern Freiwilligen außer uns waren, versteht sich von selbst, am meisten aber die Hauptleute. »Solchen jungen Menschen auf solchen Posten zu stellen! Dummheit, Unsinn… der Feldwebel war ein Esel… dieser reizende junge Mensch!« So hieß es seitens der Vorgesetzten in einem fort, und es dauerte denn auch nur wenige Tage, so hatten wir unsren Liebling wieder. Aber er freute sich unsrer Freude doch nur halb; er hatte ein sehr feines Ehrgefühl, zu fein, und konnte die Sache nie ganz überwinden.
    Die ersten Monate vergingen wie herkömmlich, und als wir einexerziert waren, begann der kleine Dienst. Eine bestimmte Zahl von Wachen war für jeden Freiwilligen vorgeschrieben, und eine davon ist mir in Erinnerung geblieben und wird es auch bleiben, und wenn ich hundert Jahre alt werden sollte.
    Das war eine Wache im Juni, vielleicht auch Juli, denn die Garden waren schon ausgerückt, und, mit Ausnahme der auf der »Kommission« arbeitenden Schuster und Schneider, waren für den hauptstädtischen Wachdienst nur Freiwillige da, die man damals noch nicht mit in das Manöver hinausnahm.
    An einem sehr heißen Tage zogen wir denn auch, wohl dreißig oder vierzig Mann stark, auf die Neue Wache, lauter Freiwillige von allen drei Bataillonen. Ein schneidiger älterer Offizier war auserwählt, uns in Ordnung zu halten.
    Alles ging gut, und neue Bekanntschaften wurden angeknüpft, denn es kannten sich bis dahin nur die , die demselben Bataillon angehörten. Unter den Freiwilligen des ersten Bataillons war ein junger Studiosus juris namens Dortu , Potsdamer Kind, derselbe, der, fünf Jahre später, wegen Beteiligung am badischen Aufstand in den Festungsgräben von Rastatt erschossen wurde. Der Prinzregent – unser spätrer Kaiser Wilhelm –, als er das Urteil unterzeichnen sollte, war voll rührender Teilnahme, trotzdem er wußte oder vielleicht auch weil er wußte, daß der junge Dortu das Wort »Kartätschenprinz« aufgebracht und ihn, den Prinzen, in Volksreden mannigfach so genannt hatte. Das Urteil umstoßen ging auch nicht, aber das tiefe Mißbehagen, in dem der Prinz sich befand, kleidete er in die Worte: »Dann mußte Kinkel auch erschossen werden.« Das war neunundvierzig. Damals aber – Juli Vierundvierzig –… »wie fern lag dieser Tag!«
    Es war sehr heiß. Als indessen die Sonne eben unter war, kam eine erquickliche Kühle. Nicht lange mehr, so mußte ich wieder auf Posten, und zwar in der Oberwallstraße vor dem Gouvernementsgebäude, drin damals der alte Feldmarschall von Müffling wohnte. Bis dahin war noch eine halbe Stunde. Plaudernd stand ich mit ein paar Kameraden auf der Vordertreppe, dicht hinter den Gewehren, als ich vom Zeughaus her einen jungen Mann herankommen sah, der schon

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