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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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danach in der Tür zu verschwinden. Aber er rief mich nochmal zurück und sagte dann mit einer mir unvergeßlichen Miene, darin väterliche Güte mit einem merkwürdigen preußischen Geldernst sich mischte: »Hören Sie, Freiwilliger, der Oberst wird erst ›nein‹ sagen. Aber dann sagen Sie ihm nur das , was Sie mir eben gesagt haben, ›daß Sie’s umsonst hätten und daß das doch selten sei…‹ Und dann wird er wahrscheinlich ›ja‹ sagen.«
    Herrlicher Mann. Und auch der Oberst sei gesegnet! Denn als ich das schwere Geschütz auffuhr, zu dem mir der Hauptmann als ultima ratio geraten hatte, war auch das »Ja« da, und am andern Morgen um 7 Uhr war ich auf dem Potsdamer Bahnhof, um meine erste Reise nach England – ein Weg, den ich nachher so oft gemacht habe – anzutreten.
     

Zweites Kapitel
     
    Reise nach England. Unterwegs. Der rote Doppel-Louisdor. Ankunft. Verlegenheiten, Windsor. Hampton-Court. In der Kapelle von Eduard dem Bekenner. In den Dockskellern
     
    Auf dem Bahnhofe traf ich meinen Freund Scherz. Er hatte seinen kleinen Reisekoffer mit ins Coupe genommen, ich mein Paket. Er lachte, als er es sah; ich meinerseits aber ließ mich nicht stören und sagte: »Ich denke, du wirst es ohne Mühe bei dir unterbringen können.« Dazu war er denn auch bereit und schloß, ein kleines Schlüsselbund hervorholend, seinen Koffer auf, während ich die zweimal zusammengeknotete Strippe von meinem in ein paar Zeitungsblätter eingeschlagenen Wäschevorrat entfernte. Die Umpackung ging schnell vor sich, und als der Koffer wieder an seinen Platz geschoben war, war das nächste, daß ich mich über unsre Reise doch einigermaßen orientiert zu sehen wünschte. Was er mir da vorgestern auf der Neuen Wache gesagt hatte, war ja so gut wie nichts gewesen.
    Ich begann also: »Nun sage mir, Scherz, wie kommst du zur Reise? Du sprichst ja kein Wort englisch.«
    »Dafür hab’ ich dich eben. Gerade deshalb hab’ ich dich aufgefordert.«
    »Das wird dir aber auch nicht viel helfen. Mein Englisch reicht nicht weit. Und so gleich die Verdoppelung der Reisekosten…«
    »Ist nicht so schlimm damit.«
    Und nun erfuhr ich, daß unsre Reise eine Art Genossenschaftsreise sei, genau nach dem Prinzip, das, zwanzig Jahre später, durch die Gebrüder Stangen zu so großem Ansehen kam. Die von jedem Teilnehmer einzuzahlende Summe war verhältnismäßig klein und sicherte demselben – aber erst von Magdeburg aus, das als Rendezvous oder starting point ausersehen war – zunächst freie Fahrt hin und zurück und daneben Wohnung und Verpflegung während eines zehntägigen Aufenthaltes in London. Ich freute mich, dies zu hören, weil es mir eine gewisse freie Bewegung sicherte. War erst das Billet in meinen Händen, so war damit die Hauptsache getan, und von einer weiteren Inanspruchnahme meines Freundes konnte nur noch sehr ausnahmsweise die Rede sein. Das erleichterte mir natürlich meine Lage.
    Gegen Mittag – es ging damals noch sehr langsam – waren wir in Magdeburg, kuckten in den Dom hinein und begaben uns gleich danach an den Kai, wo der für uns gemietete, nach Hamburg bestimmte Flußdampfer lag. Hier, auf der Landungsbrücke, trafen wir unsere Reisegesellschaft bereits versammelt. Es mochten einige zwanzig Herren sein, vorwiegend Breslauer und Leipziger Kaufleute, dazu etliche Tuchfabrikanten aus der Lausitz und dem Sächsischen Vogtlande, zwei Studenten und ein Advokat. Diese drei Letztgenannten sind mir besonders im Gedächtnis geblieben, die Studenten, weil sie sich, drei Tage später, von den Dienstmädchen unseres Londoner Hotels mit echt englischer Unbefangenheit ausgiebig umcourt sahen, der Advokat, weil er uns, gleich auf der Fahrt von Magdeburg bis Hamburg, eine schreckliche Szene machte. Das kam so. Neben ihm, in der Kajüte, saß ein feiner alter jüdischer Herr, ein Mann von nah an Siebzig und beinah ehrwürdiger Haltung. Aber dies mußte seinem Nachbar, dem Advokaten, wohl als etwas sehr Gleichgültiges erscheinen, und nachdem er mit allerlei Schraubereien begonnen hatte, ging er, durch die berechtigten Zeichen von Ungeduld, die der alte Herr gab, nur immer zudringlicher und gereizter werdend, zu Verhöhnungen und Invektiven über. Freund Scherz und ich waren empört, zugleich aber auch verwundert, weil die größte Hälfte der Gesellschaft aus Juden bestand, die sich doch seiner in corpore hätten annehmen müssen. Im ganzen existierte damals von dem, was man jetzt Antisemitismus nennt, kaum eine Spur;

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