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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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oder weniger in Hochmut verstrickten Besserwissers, und das Hochmütige verletzt nun mal mehr als das Rabiate. Politiker mögen diese Sätze belächeln, es wird ihrer aber auch geben, die etwas Richtiges darin erkennen.
    Ich kehre nach diesem Exkurse zu Hesekiel zurück. Sein gelegentlich provozierendes Auftreten war nicht angetan, mit seiner etwas extremen Richtung – sie gab sich extremer, als sie war – zu versöhnen, und so beschränkte sich, soweit der Tunnel in Betracht kam, sein gesellschaftlicher Verkehr auf das H. Smidtsche Haus, das ich schon in einem früheren Kapitel geschildert habe. Dort machte ich auch seine nähere Bekanntschaft und fühlte mich, ich will nicht sagen zu ihm hingezogen, aber doch in hohem Maße durch ihn interessiert. Er war gescheit von Natur, hatte, nicht schulmäßig, aber im Leben und durch Lektüre viel gelernt, kannte tausend Geschichten und Anekdoten von Ludwig XI. an bis auf Ludwig XVIII. und gehörte zu denen, die, wie das Sprichwort sagt, keine Mördergrube aus ihrem Herzen machen. Mit unglaublicher Ungeniertheit gab er die tollsten Skandale zum besten, und was in Vehses »Geschichte der deutschen Höfe« steht, war ein Pappenstiel gegen das, was er in ganzen Katarakten über uns hindonnerte. Mich nahm er dadurch ganz gefangen, denn historischen Anekdoten habe ich nie widerstehen können, bin auch jetzt noch der Meinung, daß sie das Beste aller Historie sind. Was tu’ ich mit den Betrachtungen? Die kommen von selbst, wenn die kleinen und großen Geschichten, die heldischen und die mesquinen, zu mir gesprochen haben. Also, Hesekiel war der Mann der historischen Anekdote, ganz besonders der rücksichtslos-gewagten. Er schrak dabei vor keinem Stand und Berufe zurück, auch nicht vor Adel und Geistlichkeit. Einmal war wieder ein entsetzliches Priesterverbrechen ans Licht gekommen. Er trug es mit breitem Pinsel vor und sagte dann, wie zur Entschuldigung, als er auf manchem Gesichte wohl so etwas wie Mißbilligung lesen mochte: »Verkennen Sie mich nicht. Ich bin aus einer alten Pastorenfamilie, die Glaubens willen aus dem Lande gegangen, und hab’ ein Herz für alles, was zum geistlichen Stande gehört. Aber wenn irgendwas Schreckliches geschieht, wo’s in Frankreich heißt: ›Où est la femme?‹, da frag’ ich hierlandes unwillkürlich: ›Où est le prêtre?‹« – Ganz besonders reizend war er, wenn er seine Schriftstellerei bewitzelte. Einmal stritt man sich und holte das Konversationslexikon heran, um ihn mit Hülfe desselben zu bekämpfen. Da kam er in eine helle Heiterkeit. »Wer selber so viele hundert Artikel dafür geschrieben hat wie ich, den müssen Sie mit dem Konversationslexikon nicht widerlegen wollen.«
    In diesem Stile sprach er beständig, und weil mir das alles ganz ausnehmend gefiel, wurd’ ich mehr und mehr sein Anhänger und habe sehr viel von ihm gehabt. »Ich marchandiere nicht«, war eine seiner Lieblingswendungen, und zu dieser Wendung war er voll berechtigt. Walter Scott war sein Vorbild, literarisch gewiß, aber auch in Repräsentation und Lebensführung. Diese letztere – in natürlicher Folge beschränkterer Verhältnisse – konnte selbstverständlich nicht so vornehm sein wie die seines großen Vorbildes, aber an Splendidität und Geldverachtung, halb aus Güte und halb aus Laune, war er ihm womöglich noch überlegen.
    Sein »Ich marchandiere nicht« hab’ ich an manchem Abend erlebt, mitunter halb schaudernd. Wenn um acht die Tunnel-Sitzung schloß, so hieß es seinerseits, wenn er nicht gerade was anderes vorhatte: »Ja, was machen wir nun mit dem angebrochenen Abend?« Und ehe noch wer antworten konnte, waren auch schon etliche von den Jüngeren eingeladen, im »Großfürst Alexander« – Neue Friedrichsstraße – seine Gäste zu sein. Die Vornehmeren unter uns lehnten natürlich ab, aber wer seine Bedenken einigermaßen bezwingen konnte, nahm gern an, weil er sicher war, einem zwar anfechtbaren, aber immer interessanten Bacchanal entgegenzugehen. In Kolonne rückten wir nun in das vorgenannte Hotel ein, wo Hesekiel, ich weiß nicht worauf hin, unbeschränkten Kredit hatte. Mit Rotwein oder Mosel zu beginnen, wäre lächerlich gewesen; es gehörte zum guten Ton, mit schwerem Rheinwein, am liebsten mit Sherry, Port oder herbem Ungar einzusetzen, und eh eine Stunde um war, hatten wir ein Wettschwimmen in Zynismen. In Zynismen, aber nicht in Unanständigkeiten. Alles wurde gesagt, aber doch in der Form wohlerzogener Menschen, ja,

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