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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nach absolviertem Studium nach Frankreich, das er in jahrelangem Aufenthalt mannigfach durchstreifte. Das gab ihm eine gute Sprach- und Landeskenntnis. Nach Deutschland zurückgekehrt, nahm er seinen Wohnsitz in Altenburg, verheiratete sich hier mit der Tochter eines sächsischen Militärs und gab ein Blatt heraus, das den Titel führte: »Die Rosen«. Er war aber damit nicht auf Rosen gebettet; all die Sorgen eines jungen und nun gar damaligen Schriftstellerlebens wurden von ihm durchgekostet. Das Vertrauen der Seinigen, Frau und Schwägerin, war aber so groß, daß die Hoffnung auf bessere Zeiten nie hinstarb. Und dies Vertrauen behielt schließlich recht. Bald nach Gründung der »Kreuzzeitung« ward er bei ebendieser angestellt und redigierte von Herbst 1848 oder 1849 an bis zu seinem Tode den französischen Artikel. Ich glaube hinzusetzen zu dürfen, mit seltener Geschicklichkeit, was in zweierlei seinen Grund hatte: zunächst in gründlicher Kenntnis französischer Zustände, besonders des französischen Adels, und zum zweiten in seiner hervorragenden novellistischen Begabung, die, solange er seiner Redaktion vorstand, in einer wenigstens zeitweilig halb humoristisch gefärbten Lebendigkeit in den Dienst der Politik trat. Ich muß dies hier ein wenig motivieren. Die Zeitung hatte von Anfang an in Paris einen sehr guten Drei-Stern-Korrespondenten, einen feinen, vorzüglich gebildeten Herrn, den ich selber später kennengelernt habe. Neben diesem Drei-Stern-Korrespondenten aber machte sich von einem bestimmten Zeitpunkte ab auch noch ein Lilien-Korrespondent geltend, der sehr bald durch seine pikantere Schreibweise den älteren Kollegen in den Schatten stellte. Was ihm aber mehr noch als seine glänzende Darstellung ein Übergewicht verschaffte, war die sehr bald innerhalb der Partei von Mund zu Mund gehende Versicherung, daß dieser Neuengagierte, wie früher an kleinen deutschen Residenzen, so jetzt am französischen Hofe die allervornehmsten Beziehungen unterhalte, was übrigens nicht wundernehmen dürfe, da dieser neue Lilien-Korrespondent ein legitimistischer Marquis sei. Der Zufall ließ es geschehen, daß ich ebendamals – mehrere Jahre vor meinem persönlichen, erst 1860 erfolgenden Eintritt in die Kreuzzeitungs-Redaktion – viel in Bethanien verkehrte, wo sich bei dem zu jener Zeit in großem Ansehen stehenden Pastor Schultz, einem Freunde meiner Eltern, die führenden Kreuzzeitungs-Leute, darunter namentlich auch von Blankenburg, zu versammeln pflegten. Eines Abends, als ich eintrat, las man in diesem bethanischen Zirkel einen eben unter dem bekannten Lilienzeichen erschienenen, eine Truppenschau in den Champs Elysées oder auf dem Marsfelde beschreibenden Artikel vor, in dem wohl vier- oder fünfmal die Wendung vorkam: » Er – Louis Napoleon – hat den Degen gezogen«. Und so war auch der Kopftitel, den die Redaktion dem Ganzen gegeben hatte. Die Meinungen über die Wichtigkeit dieser Korrespondenz gingen auseinander. »Es ist an und für sich nichts,« hieß es, »aber es hat eine symbolische Bedeutung und ist jedenfalls ein Avis.« Eine Minderheit bestritt auch dies, bis man ihr zu Gemüte führte, »daß es ja der Marquis sei, der diesen Brief geschrieben, ein ernster Politiker also, der den ›gezogenen Degen‹ nicht vier- oder fünfmal betont haben würde, wenn er dieser Sache nicht eine gewisse Wichtigkeit beilegen wollte.« Das schlug durch, und man nahm an, daß eine Kriegserklärung in Sicht stehe. Der an jenem Abend aber die gesamte Kreuzzeitungs-Gruppe so nachhaltig beschäftigende »Marquis« war niemand anders als mein Freund George Hesekiel, Wilhelm- oder Bernburger Straße oder wo sonst er damals gerade wohnen mochte. Wie sich denken läßt, hing der Schöpfer an diesem seinem Geschöpf, der Marquis »wuchs mit seinen größeren Zwecken«, und es wird sich ganz ernsthaft sagen lassen, daß Hesekiel an keiner seiner Romanfiguren auch nur annähernd so viel Freude gehabt hat wie speziell an diesem Kinde seiner Laune. Doch alle Freude welkt dahin. Ein Jahrzehnt lang hatte sich die so glücklich erfundene Figur bei Leben und Ansehen erhalten, bis es mit einem Male hieß: »Der legitimistische Marquis der ›Kreuzzeitung‹ existiere gar nicht.« Es war nämlich aufgefallen, daß der Marquis nie schrieb, wenn Hesekiel im Monat Juli in Karlsbad war. Indessen möcht’ ich trotz alledem annehmen, daß der durch diesen Umstand erregte Verdacht wieder hingeschwunden wäre, wenn nicht

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