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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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einer stattlichen Bourgeoise zu werden; ihr Lebensgang am Theater aber hatte Sorge dafür getragen, ihr noch einen Extranimbus zu geben und dadurch jene feine Nebenspezies herzustellen, deren sich manche jetzt alten Berliner aus ihren jungen Tagen her wohl noch erinnern werden. Alle Berliner Schauspielerinnen und Sängerinnen, namentlich aber Tänzerinnen, deren Lebensweg also mehr oder weniger einer perpetuellen Revue vor den Augen Seiner Majestät geglichen hatte, hatten unter diesem königlichen Augeneinfluß ein Selbstbewußtsein ausgebildet, das sich in den leichteren Fällen bis zu einer einen gesellschaftlichen Unterschied stark markierenden Würde, in den schwereren Fällen bis zu eiskalter Unnahbarkeit steigerte. Die natürliche Grundlage blieb aber doch »die Berliner Madam«, ein Etwas, das die Welt nicht zum zweiten Male gesehn. Frau Schneider übrigens, wie hier huldigend bemerkt sein mag, war von der milderen Observanz; sie war noch nicht absolut vergletschert, sie hatte noch ein Lächeln.
    Aber trotz dieses Lächelns, ihr Erscheinen, wie schon angedeutet, bedeutete doch jedesmal Rückzugsnotwendigkeit, der ich denn auch rasch gehorchte. Tags darauf erhielt ich meist ein Buch oder eine Zeitschrift, die den vielleicht ungünstigen Eindruck einer durch äußere Einflüsse etwas rasch abgebrochenen Verhandlung wieder begleichen sollte.
    Mehr noch als von Schneiders literarischen Beihülfen hab’ ich aber von seinen Geschichten und Anekdoten gehabt, denen ich immer ein sehr offenes Ohr entgegenbrachte. Wer ein bißchen das Leben kennt, wird wissen, daß man nach dieser Seite hin von den poetisch Geistreichen oder gar den »literarischen Leuten« als solchen meistens nicht viel hat, sehr viel aber von den spezifisch Prosaischen. Schneider glich einem Abreißkalender, auf dem von Tag zu Tag immer was Gutes steht, was Gutes, das dann den Nagel auf den Kopf trifft. »Ja, mit dem schlechten Theater«, so hieß es in einem dieser Gespräche, »wie oft hab’ ich diese Klage hören müssen! Da hab’ ich denn, weil mir’s zuletzt zuviel wurde, die Berliner Zeitungen seit Anno 1787 vorgenommen und kann es nun belegen, daß in jedem Jahr regelmäßig gesagt worden ist: › So schlecht sei das Theater noch nie gewesen‹.«
    Und was er hier vom Theater sagt, paßt, glaub’ ich, auf alles.
    Wofür ich ihm aber am meisten verpflichtet bin, das ist das Folgende. »Sie müssen sich nicht ärgern und nicht ängstigen. Sehen Sie, wir hatten da, als ich noch auf der Bühne herummimte, einen Trostsatz, der lautete: ›Um neun ist alles aus.‹ Und mit diesem Satze haben wir manchen über schwere Stunden weggeholfen. Ich kann Ihnen diesen Satz nicht genug empfehlen.«
    Und das hat mir der gute Schneider nicht umsonst gesagt. Ich bin ihm bis diese Stunde dafür dankbar: »Um neun ist alles aus«.

Siebentes Kapitel
     
    George Hesekiel
     
    George Hesekiel , 1819 geboren, war der Sohn des Predigers und, wenn ich nicht irre, späteren Konsistorialrats Friedrich Hesekiel zu Halle. Schon dieser war eine volle Persönlichkeit und, wie nach ihm sein Sohn, der Freund eines guten Mahls und eines noch besseren Trunkes. In seinem Keller lag ein alter ausgezeichneter »Naumburger«, den ihm eine Bürgerdeputation mit der in gutem Sächsisch vorgetragenen Bemerkung überreicht hatte: »Das ist unser teurer Bürgerschweiß.« Und immer, wenn ein Festtag war – und der alte Konsistorialrat hatte gern Festtage –, so mußte George in den Keller, um eine Flasche »teuren Bürgerschweiß« heraufzuholen.
    Die Hesekiels, durch zwei Jahrhunderte hin immer Geistliche, stammten aus Böhmen und gehörten, wenn ich recht berichtet bin, einer Adelsfamilie von altböhmischem Namen an. Der Ahnherr verließ nach der unglücklichen Schlacht am Weißen Berge um Glaubens willen seine Heimat und ging nach Sachsen, wahrscheinlich gleich nach Halle. Dort in eine Kirchenstellung eingetreten, begann er damit, wie bis dahin sein böhmisches Vaterland, so nun auch seinen Namen abzutun. Er schlug zu diesem Behufe die Bibel auf und hatte beim Aufschlagen den Propheten Hesekiel vor sich. Den Namen nahm er an. Unser George war mit Recht stolz auf ebendiesen Namen und wurde durch nichts so geärgert, wie wenn man ihn »Hese-Kiel« nannte. »Wenn ich bitten darf, Hesekiel«, unterbrach er dann jedesmal.
    Er verbrachte seine Jugend in Halle, war als Student viel in dem Fouquéschen Hause – Fouqué in seiner zweiten Periode und mit zweiter Frau – und ging bald

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