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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Hesekiel selbst, als er von dem Stutzen des Publikums erfuhr, zu einem falschen Wiederherstellungsmittel des erschütterten Glaubens an seine Figur gegriffen hätte. Dies falsche Mittel bestand darin, daß er den Marquis auch nach Karlsbad reisen und ihn von dort aus an die »Kreuzzeitung« schreiben ließ. In diesen Briefen sprach er neben anderem auch seine Freude darüber aus, den Dr. George Hesekiel am Sprudel kennengelernt und ihn in seinen legitimistischen Anschauungen als echt und recht erfunden zu haben. All dies war sehr sinnreich ausgedacht, aber doch etwas zu sinnreich, zu kompliziert. Die Komödie, die dadurch verschleiert werden sollte, wurde nur immer durchsichtiger, so daß Hesekiel nach allen möglichen Hin- und Her-Erwägungen endlich den großartigen Entschluß faßte, den Marquis während ihres beiderseitigen nächsten Aufenthaltes in Karlsbad sterben zu lassen. Er führte dies auch mit vieler Kunst, will sagen mit allen für die Wahrscheinlichkeit der Sache nötigen Abstufungen aus, doch weiß ich nicht mehr recht, ob er ihn rasch und unmittelbar in böhmischer Erde begraben oder aber umgekehrt ihn zunächst noch nach Frankreich zurückbegleitet und ihn dort erst in der Nähe von St. Denis bestattet hat. Ich finde, bei allem Respekt vor dem berühmten Bernauer Kriegskorrespondenten, daß dieser legitimistische Marquis seinem Kollegen Wippchen mindestens ebenbürtig ist.
    Es mag mir gestattet sein, an das Vorstehende noch eine Bemerkung über »echte« und »unechte Korrespondenzen« zu knüpfen. Der Unterschied zwischen beiden, wenn man Sprache, Land und Leute kennt, ist nicht groß. Es ist damit wie mit den friderizianischen Anekdoten: die unechten sind geradeso gut wie die echten und mitunter noch ein bißchen besser. Ich bin selbst jahrelang echter und dann wieder jahrelang unechter Korrespondent gewesen und kann aus Erfahrung mitsprechen. Man nimmt seine Weisheit aus der »Times« oder dem »Standard« etc., und es bedeutet dabei wenig, ob man den Reproduktionsprozeß in Hampstead-Highgate oder in Steglitz-Friedenau vornimmt. Fünfzehn Kilometer oder hundertfünfzig Meilen machen gar keinen Unterschied. Natürlich kann es einmal vorkommen, daß persönlicher Augenschein besser ist als Wiedergabe dessen, was ein anderer gesehen hat. Aber auch hier ist notwendige Voraussetzung, daß der, der durchaus selber sehen will, sehr gute Augen hat und gut zu schreiben versteht. Sonst wird die aus wohlinformierten Blättern übersetzte Arbeit immer besser sein als die originale. Das Schreibetalent gibt eben den Ausschlag, nicht der Augenschein, schon deshalb nicht, weil in schriftstellerischem Sinne von zehn Menschen immer nur einer sehen kann. Die meisten sehen an der Hauptsache vorbei.
     
    Hesekiel trat, sehr bald nach seinem Erscheinen in Berlin, in den Tunnel ein, wahrscheinlich durch Schneider eingeführt und empfohlen. Aber trotz dieser Empfehlung kam er zu keiner rechten literarischen Geltung, noch weniger zu Ansehen und Liebe. Der Grund lag zum Teil in seiner Zugehörigkeit zur »Kreuzzeitung«. Überflog man den zu einem Drittel aus Offizieren und zu einem zweiten Drittel aus adligen Assessoren zusammengesetzten Tunnel, so mußte man – noch dazu nach eben erst erfolgter Niederwerfung einer revolutionären Bewegung – eigentlich mit Sicherheit annehmen, in einem derartig kombinierten Zirkel einem Hort des strengsten Konservatismus zu begegnen. Das war aber nicht der Fall. In dem ganzen Tunnel befand sich, außer Hesekiel, kein einziger richtiger Kreuzzeitungsmann; nicht einmal Louis Schneider, trotz eifriger Mitarbeiterschaft an der »Kreuzzeitung«, konnte als solcher gelten. Ihm fehlte das Kirchliche, das durch das Russische doch nur sehr unvollkommen ersetzt wurde. Die Tunnel-Leute waren, wie die meisten gebildeten Preußen, von einer im wesentlichen auf das nationalliberale Programm hinauslaufenden Gesinnung, und bis diesen Tag ist es mir unerklärlich geblieben, daß, mit Ausnahme kurzer Zeitläufte, diese große politische Gruppe keine größere Rolle gespielt und sich nicht siegreicher als staatsbestimmende Macht etabliert hat. Es hat dies nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen weniger – wenn überhaupt – an den Prinzipien unseres deutschen Whiggismus gelegen als an dem Ton , in dem diese Prinzipien vorgetragen wurden. Der Fortschritt ist auch rechthaberisch doktrinär, aber er vertritt mehr den Doktrinarismus eines rabiaten Konventiklers als den eines geistig und moralisch mehr

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