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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Fortgang. Das reizte den Küstriner Markgrafen, einen scharfen Protestanten, und er gab dem Landeshauptmann im Lande Sternberg, Hansen von Minkwitz, Befehl, dem Unfug ein Ende zu machen. Minkwitz nahm zehn oder zwölf bewaffnete Bürger aus der Stadt Drossen, die zu seinem Amtsbezirke gehörte, und rückte mit ihnen auf Kirch-Göritz zu. Er gedachte das wundertätige Bildnis einfach wegzuführen. Aber es kam anders, als er wollte und sollte. Unterwegs schlossen sich nämlich in allen Dörfern, die er zu passieren hatte, Bauern und loses Gesindel seinem Zuge an, Leute, die noch vor wenig Wochen zu der allerheiligsten Jungfrau gebetet und ihre Pfennige zu den Füßen derselben niedergelegt hatten. Und so brachen denn infolge dieses Zuwachses die Minkwitzschen nicht mehr als ein geordneter Trupp, sondern als ein wilder, regelloser Haufen in Kirch-Göritz ein. Das Muttergottesbild sah sich von seinem Standort gestürzt und in unzählige Stücke zerschlagen; alles andere: Chorstühle, Schnitzereien, Trauerfahnen, wurden zerrissen oder verbrannt. In die goldgestickten Meßgewänder aber, die diesem Schicksal entgingen, kleidete sich schließlich das Gesindel und zog in wüstem Mummenschanz in seine Dörfer heim. Der ganze Hergang ein zum Himmel schreiendes Beispiel, wie wenig in den sogenannten Glaubenszeiten der Glaube und wieviel die Roheit bedeutet. Nur daß sich jener in diese kleidet, gilt als ein Beweis seiner Kraft.«
    »Ich möchte dir widersprechen«, warf Tubal ein.
    »Es sei darum, aber nicht jetzt. Dies hier vor uns sind die ersten Häuser von Kirch-Göritz. Und wir können nicht mit Pro und Contras auf den Lippen bei Dr. Faulstich eintreten.«

Elftes Kapitel
     
    Doktor Faulstich
     
    Kirch-Göritz bestand aus wenig mehr als einer einzigen Straße, die sich in ihrer Mitte zu einem schmalen, ein unregelmäßiges Dreieck bildenden Platz mit nur zwei Eckhäusern erweiterte.
    In einem dieser Eckhäuser wohnte Dr. Faulstich. Es war zweistöckig, mit hohem Dach, und gehörte der verwitweten Seilermeister Griepe, die den oberen Stock an den städtischen Rentamtmann, das nach dem Platze zu gelegene Frontzimmer des Erdgeschosses aber an unsern Doktor vermietet hatte. Eine dahintergelegene große Stube mit Kochgelegenheit bewohnte sie selbst. Was sonst noch an Raum da war, wurde durch einen tiefen, gewölbten Torweg eingenommen, in dem die harkenartigen Ständer aus der ehemaligen Reeperbahn des seligen Meisters umherstanden.
    Tubal und Lewin traten in den Torweg ein und klopften an der ersten Türe links. Eine etwas hohe, aber im übrigen wohlklingende Stimme rief »Herein«, und im nächsten Augenblick sahen sich unsre Freunde durch Dr. Faulstich begrüßt. Dieser entsprach auch in seiner äußeren Erscheinung dem Charakterbilde, das Lewin von ihm entworfen hatte. Trotz allem auf den ersten Blick Gewinnenden fehlte doch mancherlei, und wenn das leichtgekräuselte Haar und mehr noch die weiten Beinkleider aus großkariertem Stoff ihn momentan als einen Mann erscheinen ließen, der sich daran gewöhnt hatte, mit seinen Ansprüchen nicht allzu weit hinter denen seines Umgangs zurückzubleiben, so kennzeichneten ihn daneben Chemise und Halstuch und ein hervorguckender Rockhängsel als einen Gelehrten von herkömmlicher Parure, der gegen Sauberkeit au fond gleichgiltig und für seine Scheineleganz zu größerem Teile dem Drosselsteinschen Schneider verpflichtet war.
    Er schien aufrichtig erfreut, die beiden jungen Männer zu sehen, und über die Lobsprüche leicht hinweggehend, die Tubal seiner kritischen Arbeit spendete, schob er mit einem scherzhaften: »Sie sehen, meine Herren, die Ehrenplätze des Sofas sind okkupiert«, zwei Binsenstühle an den Tisch. Tubal und Lewin nahmen Platz, während der Doktor, über den eine gewisse Wirtlichkeitsunruhe gekommen war, an die Hinterwand des Zimmers eilte und, mit dem Zeigefingerknöchel dreimal anklopfend, zugleich aufmerksam hinhorchte, ob drinnen auch geantwortet würde. Diese Antwort schien nicht auszubleiben, denn er kehrte, befriedigten Gesichts, zu seinen Gästen zurück, ihnen mit einem Anflug von Ironie mitteilend, daß er vor kaum einer Stunde einen Brief »aus dem Kabinett der Frau Gräfin Tante« erhalten habe. Inhalt: Silvestergeheimnis.
    Es würde nun dies Geheimnis das Schicksal aller ähnlichen gehabt haben, nämlich das, sofort ausgeplaudert zu werden, wenn nicht das Erscheinen der Witwe Griepe das eben anhebende Gespräch unterbrochen hätte.
    Sie blieb in

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