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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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zurückgekommen. Befreit von seiner Pflicht als Leibwächter, hatte er sich nun in einen der kühlen, nach Ranken duftenden Innenhöfe zurückgezogen, die es in diesem erstklassigen Gasthaus im Überfluss gab. Ich bemerkte ihn auf einer Steinbank im Gespräch mit Albia. Da er normalerweise nicht redete, zog mich das an.
    Albia hörte nur zu. Das war eine weitere Überraschung. Sie war jemand, die von Natur aus bei allem mitmischen wollte.
    Ich sah sie sehr aufrecht in ihrem blauen Lieblingskleid dasitzen, in der Hand eine späte Rose, die einer von ihnen gepflückt haben musste. Ich erriet, wer ihr die Blume geschenkt hatte. An seiner Stelle hätte ich es bei Albia mit einem Paket Rosinengebäck versucht, aber Glaucus war nur ein großer Klotz aus Knochen und Muskeln. Er wusste nichts von Frauen und ihren Schwächen. Einst war ich auf dem Aventin Cupidos persönlicher Vertreter gewesen, und Jahre später war es immer noch meine Aufgabe, Frauen zu verstehen, besonders die komplizierten. Er hätte zuerst mit mir sprechen sollen.
    Glaucus hielt ihr seinen Vortrag, eine Zusammenfassung seiner Langzeitpläne, in Griechenland zu bleiben und zu allen Panathenäischen Spielen zu reisen. Eines Tages hoffte er, triumphierend als Olympiasieger nach Rom zurückzukehren. Laut ihm war das mit der richtigen Förderung und persönlicher Hingabe realisierbar. Sein Vater, mein Trainer, würde das Geld zur Verfügung stellen und vielleicht sogar herkommen, um das Trainingsprogramm seines Sohnes zu überwachen. Der junge Glaucus bat jetzt Albia, auch hierzubleiben, als seine Seelengefährtin. Sein Leben mit ihm zu teilen, ihn mit Öl einzureiben, ihn zu unterstützen.
    Albia würde ihre eigene Wahl treffen. Ich hätte leise gestöhnt und mich davongeschlichen – doch ich entdeckte Gaius und Cornelius, die versteckt hinter einer alten, rissigen Amphore hockten, aus der ein junger Feigenbaum wuchs. Bisher hatte Gaius die Kunst des lautlosen Gewiehers gemeistert, aber darauf konnte man sich nicht verlassen. Ich blieb, um jederzeit einschreiten zu können.
    Glaucus redete viel zu lange. Er hatte so was eindeutig noch nie getan. Ich war erstaunt, wie er einen so langen Monolog durchhalten konnte. Die Sache blieb einseitig, da Albia bloß ihr Kinn senkte und mit dem dunklen Kopf zur Seite geneigt zuhörte. Sein Leben zu planen war die Leidenschaft des jungen Mannes. Sobald er sich den Einzelheiten zuwandte, konnte er nicht mehr aufhören. Wenn man Sport mochte, war es nicht allzu langweilig. Wenn man Sport hasste, war es grässlich.
    Schließlich holte Glaucus sein Meisterstück hervor. Aus einer Falte seiner Tunika zog er einen kleinen, beweglichen Gegenstand. Im Licht einer Öllampe, die an einer nahen Säule hing, zeigte er Albia die Eule, die er im Hof gefangen hatte. Wunderschön gefiedert – aber äußerst verärgert –, war dies sein feierliches Liebesgeschenk. Albia, ein vernünftiges Mädchen, weigerte sich, die Eule zu nehmen und sich ihren Schnabelhieben auszusetzen.
    Glaucus fasste dann seinen Lebenslauf erneut zusammen. Die Eule zappelte zwischen seinen riesigen dunklen Händen. Albia musste ebenfalls fliehen wollen. Gaius und Cornelius bepissten sich fast vor Vergnügen, die Schlingel. Ich machte mich bereit, mit großen Schritten den Hof zu überqueren und sie am Kragen ihrer Tuniken zu packen, falls ihr Spott explodierte.
    Nicht nötig. Albia sprang auf.
    »Das war sehr interessant. Ich werde darüber nachdenken, wenn ich Zeit habe.« Ich zuckte zusammen. Junge Frauen sind so brutal. Helena musste ihr Ratschläge erteilt haben, wie man Männer im Ungewissen lässt. Albia zeigte auf die kleine Eule. »Also, Glaucus, deine Eule ist sehr niedlich, aber du lässt sie besser schnell frei. Sie ist das Symbol für Pallas Athene. Mir wurde jedoch gesagt, dass die Griechen abergläubisch sind, wenn eine Eule ins Haus fliegt. Sie nageln sie mit den Flügeln an die Haustür – lebendig!«
     
    Albia hüpfte davon. Nach einem Augenblick öffnete der untröstliche Glaucus die Hände und ließ die Eule frei, die mit zerzausten Federn wütend aufs Dach flog. Die Jungs machten sich aus dem Staub. Ich glitt unauffällig zum Ausgang.
    Erst da sah ich Aulus in einem dunklen Türeingang stehen. Falls er mich entdeckt hatte, ließ er es sich nicht anmerken, sondern verschwand leise.
     
    LVII
    Am nächsten Tag unternahmen Helena und ich Versuche, die Sieben-Stätten-Gruppe auf der Agora zu finden. Ich neigte inzwischen zu der Ansicht, dass

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