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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Glaucus. Durch seine Mitnahme trug ich eine Schuld ab. Glaucus senior war mein persönlicher Trainer in dem Gymnasium, das ich frequentierte. Er wäre gerne selbst mitgekommen, hatte aber viel in sein Geschäft investiert und konnte es nicht allein lassen. Sein Sohn, der mir als Leibwächter und athletischer Berater angeboten wurde, war etwa achtzehn, still, freundlich, intelligent, wohlerzogen und respektvoll seinem Vater gegenüber. Zu gut, um wahr zu sein? Er war ganz versessen darauf, an den klassischen Spielen teilzunehmen. Glaucus hatte ihn in sportlichen Disziplinen unterwiesen, seit der Junge ein Kleinkind war. Meine Rolle bestand darin, dem jungen Athleten einen Vorausbesuch von Olympia zu verschaffen, um zu entscheiden, ob es ihm mit den Wettkämpfen ernst war. Zu schade, dass dort momentan keine stattfanden.
    Jupiter mochte wissen, wer seine Mutter war. Der ältere Glaucus bekam einen verträumten Blick, wenn er von ihr sprach. Sie musste irgendwo aus Nordafrika stammen und mit einem außergewöhnlichen Aussehen gesegnet sein. Der Sohn war bemerkenswert. Und dazu noch ein äußerst kräftiges Exemplar.
    »Durch ihn werden wir wirklich unauffällig!«, nörgelte Helena.
    »Eine absichtliche Ablenkung. Während die Leute den Goldjungen anstarren, werden sie uns gar nicht beachten.«
    Albia (sechzehn und bereit für gefühlsmäßige Katastrophen) starrte ihn bereits kuhäugig an. Bisher benahm sich der junge Glaucus wie ein hingebungsvoller Athlet, hielt seinen Körper in Form, ohne sich seines gutaussehenden Gesichtes bewusst zu sein. Albia schien vorzuhaben, ihn darüber aufzuklären.
    Das war die auserwählte Gruppe, mit der ich mich auf den Weg machte, erpicht darauf, noch vor dem Herbst loszukommen. (Und bevor Papa mir eine unendliche Liste griechischer Vasen aufdrücken konnte, die ich für ihn importieren sollte.) Die Zeit war gegen uns. Nach dem Oktober würden keine Schiffe mehr segeln. Noch war es möglich, Griechenland zu erreichen, wenngleich die Heimfahrt zu einem Problem werden könnte.
    Aber egal. Wir versetzten uns in den Gemütszustand von Freizeittouristen. Wir fühlten uns wie Götter, die auf der Suche nach Wein, Weib und Gesang über die Kontinente zogen und Abenteuern und kleinen Scharmützeln nicht abgeneigt waren …
    Doch unser Vorhaben war von ernster Natur. Und da ich beschlossen hatte, erst in Rhegium an Bord zu gehen, am Zeh von Italien gegenüber von Sizilien, waren wir erschöpft, gereizt und viel ärmer, noch bevor wir überhaupt das Land verließen. Die anderen würden sich größtenteils auf der Schiffsreise erholen. Ich werde seekrank. Helena hatte Ingwerwurzel mitgebracht. Bei mir wirkt das nie.
    Als wir Segel setzten, hatten Helena und ich bereits erkannt, dass es ein Riesenfehler gewesen war, die Kinder zurückzulassen. Sie vergrub den Kopf in einer Schriftrolle, wirkte bedrückt. Wenn ich mich mal nicht übergab, schlug ich mir die Gedanken an unsere Töchter durch ein wenig Training mit dem jungen Glaucus an Deck aus dem Sinn. Das ließ mich noch mehr wie einen herzlosen Drecksack wirken.
    Die Abenteuer begannen sofort. Das Wetter war bereits unsicher. Der Kapitän unseres Schiffes hatte aus irgendwelchen privaten Gründen einen Nervenzusammenbruch, verbarrikadierte sich in der einzigen Kabine und ward nicht mehr gesehen. Der Bootsmann scharwenzelte ständig um Helena herum, und der Steuermann war fast blind. Auf halber Strecke gerieten wir in einen Gewittersturm, der uns zu versenken drohte – oder vom Kurs abzubringen, was noch schlimmer war. An irgendeiner felsigen griechischen Insel zu stranden, bevölkert von Ziegen, Fischern, verlassenen Maiden, Liebesdichtern und Schwammtauchern, hätte unsere Reise zu einer totalen Zeitverschwendung gemacht. Händler nehmen das Risiko auf sich, weil ihnen nichts anderes übrigbleibt. Mir wurde allmählich mulmig. Wir hatten viel zu viel Gepäck – aber nichts, was gut genug war, um Inselbewohner auszuzahlen, die ihren Lebensunterhalt mit dem »Bergen« von Schiffswracks verdienten.
    Schließlich erreichten wir festes Land bei einem Hafen namens Kyllene im Golf von Korinth, was für unsere Zwecke nur bedingt dienlich war. Statt an der Westküste zu landen, bloße zehn oder fünfzehn Meilen von Olympia entfernt, mussten wir jetzt mehr als zehn Meilen nach Süden bis Elis reisen, von wo aus wir den Prozessionsweg über das Vorland einschlagen konnten – weitere fünfzehn Meilen. (Fünfzehn Meilen laut den Einheimischen, was

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