Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
sagte, als er den Doktor Faust holte«, war Herrn Wellers Antwort.
» Er ? Ist’s ein Herr?« fragte Herr Pickwick.
»Er sieht wenigstens so aus, wenn er es auch nicht ist«, versetzte Herr Weller.
»Aber die Karte ist ja von einer Dame«, sagte Herr Pickwick.
»Und mir doch von einem Herrn gegeben«, bemerkte Sam; »er erwartet Sie im Salon und sagt, er wolle lieber den ganzen Tag warten, als Sie nicht sehen.«
Als Herr Pickwick diesen Entschluß hörte, begab er sich ins Besuchszimmer, wo ein würdevoll aussehender Mann saß, der bei seinem Eintritt aufstand und mit einer Miene tiefen Respekts sagte.
»Habe ich die Ehre mit Herrn Pickwick?«
»Bitte, hier steht er.«
»Gestatten Sie mir den Vorzug, mein Herr, Ihre Hand zu ergreifen – erlauben Sie mir, mein Herr, sie zu schütteln«, sagte der würdevoll aussehende Mann.
»Aber bitte«, entgegnete Herr Pickwick.
Der Fremde schüttelte die dargebotene Hand und fuhr dann fort:
»Wir haben von Ihrem Rufe gehört, mein Herr. Das Gerücht von Ihren antiquarischen Untersuchungen ist bis zu den Ohren der Madame Leo Hunter gedrungen – das heißt, meiner Frau, Sir – ich bin Leo Hunter.«
Der Fremde schwieg, als erwarte er, Herr Pickwick werde über diese Offenbarung entzückt sein; als er aber sah, daß dieser vollkommen ruhig blieb, fuhr er fort:
»Meine Frau, Sir – Madame Leo Hunter – setzt ihren Stolz darein, alle Personen, die durch ihre Werke und Talente berühmt geworden sind, unter die Zahl ihrer Bekannten zu rechnen. Erlauben Sie mir, mein Herr, den Namen Herrn Pickwicks und der übrigen Mitglieder des Klubs, der Ihnen seinen Namen verdankt, obenan auf die Liste zu setzen.«
»Ich werde mich außerordentlich glücklich schätzen, die Bekanntschaft einer solchen Dame zu machen, Sir«, versetzte Herr Pickwick.
»Sie sollen sie machen, Sir«, sagte der würdevoll aussehende Mann. »Morgen früh geben wir einer großen Anzahl von Personen, die sich durch ihre Werke und Talente berühmt gemacht haben, ein öffentliches Frühstück – eine fête champêtre . Madame Leo Hunter läßt Sie bitten, Sir, Sie morgen mit einem Besuch in Den zu beehren.«
»Mit großem Vergnügen«, versetzte Herr Pickwick.
»Madame Leo Hunter gibt oft solches Frühstück, mein Herr«, fuhr Pickwicks neuer Bekannter fort – »›Feste der Vernunft und Gastmähler der Seele‹, wie sich jemand in einem Sonett auf Madame Leo Hunters Frühstück mit ebensoviel Gefühl wie Originalität ausdrückte.«
»War er auch durch seine Werke und Talente berühmt?« fragte Herr Pickwick.
»Ja, er war es, mein Herr«, versetzte der würdevoll aussehende Mann; »sämtliche Bekannte der Madame Leo Hunter sind berühmt; sie hält viel darauf, keine andere Bekanntschaften zu haben.«
»Ein sehr edler Ehrgeiz«, bemerkte Herr Pickwick.
»Wenn ich es der Madame Leo Hunter mitteile, daß diese Bemerkung von Ihren Lippen kam, so wird sie gewiß stolz darauf sein«, sagte der würdevoll aussehende Mann. »Sie haben einen Herrn in Ihrem Gefolge, der schon einige hübsche Gedichtchen gemacht hat, glaube ich, mein Herr?«
»Mein Freund Snodgraß hat viel Sinn für die Dichtkunst«, antwortete Herr Pickwick.
»Auch Madame Leo Hunter, mein Herr. Dichtkunst ist ihr das Höchste, Sir. Sie betet sie an; ich darf sagen, ihre ganze Seele ist davon durchflochten. Sie hat auch selbst einige herrliche Stücke gemacht, Sir. Vielleicht haben Sie schon von ihrer Ode an einen sterbenden Frosch gehört?«
»Nicht, daß ich wüßte«, erwiderte Herr Pickwick.
»Sie setzen mich in Erstaunen, Sir«, sagte Herr Leo Hunter. »Die Ode machte ungeheure« Aufsehen. Sie war mit einem L. und acht Sternchen unterzeichnet und erschien ursprünglich in einem Damenmagazin. Der Anfang lautet:
»Kann ich ohne inn’res Leiden
Seh’n dich unter Grausamkeiten
Elend, jämmerlich verscheiden?
Nein, ich wein’,
Sterbend Fröschlein!«
»Hübsch«, bemerkte Herr Pickwick.
»Schön«, sagte Herr Leo Hunter: »so schlicht.«
»Sehr«, bemerkte Herr Pickwick.
»Der nächste Vers ist noch rührender; wollen Sie ihn hören?«
»Wenn es Ihnen recht ist«, versetzte Herr Pickwick.
»Er lautet also«, sagte der Würdevolle immer würdevoller:
»Sprich, ob ruchlos wilde Knaben
Schreiend dich aus deinem Graben
Mit dem Hund vertrieben haben?
Pein, o Pein,
Sterbend Fröschlein!«
»Schön gesagt«, bemerkte Herr Pickwick.
»Jedes Wort, mein Herr, jedes Wort«, sagte Herr Leo Hunter. »Aber Sie sollten die Verse aus
Weitere Kostenlose Bücher