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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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brauchen sich nicht darum zu kümmern.‹
    ›Pah, Unsinn; das hätte nichts zu sagen‹, versetzte Tom Smart. ›Ich bin auch geldbedürftig. Das ist es nicht.‹
    ›Ach Gott, was kann es denn sein?‹ rief die arme Witwe.
    ›Erschrecken Sie nicht‹, sagte Tom Smart, zog langsam einen Brief aus der Tasche und entfaltete ihn. ›Werden Sie aber auch nicht schreien?‹ fragte Tom zweifelnd.
    ›Nein, nein‹, erwiderte die Witwe, ›geben Sie her.‹
    ›Werden Sie nicht in Ohnmacht fallen oder sonstige Zufälle bekommen?‹ fragte Tom.
    ›Nein, nein‹, erwiderte die Witwe hastig.
    ›Und rennen Sie nicht fort, um es ihm vorzuhalten?‹ sagte Tom. ›Ihre Einmischung ist dabei ganz unnötig, da ich die Sache auf mich zu nehmen gedenke.‹
    ›Alles recht, geben Sie nur her!‹ bat die Witwe.
    ›Hier‹, sagte Tom Smart, und gab der Witwe den Brief in die Hand.
    Meine Herren, ich habe meinen Oheim sagen hören, daß Tom Smart behauptete, die Wehklagen der Witwe, in die sie bei der Enthüllung des Geheimnisses ausbrach, hätten ein Herz von Stein durchbohren können. Tom hatte gewiß ein starkes Herz, aber sie drangen bis in sein Innerstes. Die Witwe fiel bald auf diese, bald auf die andere Seite und rang die Hände.
    ›O Niedertracht und Schlechtigkeit eines Mannes!‹ rief die Witwe aus.
    ›Schrecklich, liebe Frau, aber beruhigen Sie sich‹, sagte Tom Smart.
    ›Ach, ich kann mich nicht beruhigen‹, schrie die Witwe. ›Ich werde nie mehr einen finden, den ich so lieben kann.‹
    ›O gewiß, Sie werden, mein liebes Herz‹, versicherte Tom Smart, aus Mitleid mit dem kläglichen Geschick der Witwe einen Strom dicker Tränen vergießend.
    Im Eifer seines Bedauerns hatte Tom Smart seinen Arm um den Leib der Witwe geschlungen, und die Witwe hatte im Übermaße des Schmerzes Toms Hand ergriffen. Sie sah Tom ins Gesicht und lächelte mitten in ihren Tränen, und Tom sah der Witwe in ihr Gesicht und lächelte mitten in seinen Tränen.
    Ich konnte nie erfahren, meine Herren, ob Tom in diesem entscheidenden Augenblick die Witwe küßte oder nicht. Meinem Oheim pflegte er zu sagen, er habe es nicht getan, aber das bezweifle ich fast. Unter uns gesagt, meine Herren, ich glaube, er tat es.
    Jedenfalls ist soviel gewiß, daß eine halbe Stunde darauf Tom den sehr großen Mann aus dem Hause warf und einen Monat später die Witwe heiratete. Lange fuhr er noch auf seinem tonfarbenen Wagen mit den roten Rädern und mit der launischen Mähre im Lande herum, bis er endlich nach vielen Jahren sein Geschäft aufgab und mit seinem Weib nach Frankreich ging, worauf das alte Haus niedergerissen wurde.«
    »Wollen Sie mir eine Frage erlauben«, sagte der fragelustige alte Herr: »was wurde denn aus dem Stuhl?«
    »Nun«, versetzte der einäugige Krämer, »man hörte ihn am Tage der Hochzeit sehr stark krachen; aber Tom Smart konnte nicht bestimmt sagen, ob aus Vergnügen oder aus Gebrechlichkeit. Er neigte jedoch mehr zur letzteren Ansicht, denn der Stuhl sprach nachher nie wieder.«
    »Jedermann glaubte die Geschichte, nicht wahr?« fragte das Negergesicht, seine Pfeife wieder füllend.
    »Mit Ausnahme der Feinde Toms«, antwortete der Krämer. »Einige von ihnen sagten, Tom habe sie rein erfunden, und andere sind der Ansicht, er sei betrunken gewesen, habe sie geträumt, und den Fund durch Verwechslung der Beinkleider vor dem Schlafengehen getan. Aber niemand hörte darauf, was diese neidischen Seelen sagten.«
    »Tom Smart sagte, es sei alles wahr?«
    »Wort für Wort.«
    »Und Ihr Oheim?«
    »Buchstäblich.«
    »Beide müssen sonderbare Männer gewesen sein«, sagte das Negergesicht.
    »Ja, das waren sie auch – in der Tat!«

Sechzehntes Kapitel
    In dem ein getreues Porträt von zwei ausgezeichneten Personen vorkommt; genaue Beschreibung eines öffentlichen Frühstücks in ihrem Hause und auf ihrem Grund und Boden; gleichzeitig Erneuerung einer alten Bekanntschaft, die zur Eröffnung eines neuen Kapitels führt.
     
    Herrn Pickwicks Gewissen machte seinem Eigentümer mitunter Vorwürfe, daß er neuerdings seine Freunde im Pfauen vernachlässige. Am dritten Morgen nach der Wahl war er eben im Begriff, sie aufzusuchen, als ihm sein getreuer Diener eine Karte überbrachte, worauf zu lesen stand:
    Mrs. Leo Hunter. Den. Eatanswill.
    »Es wartet jemand«, sagte Sam lakonisch.
    »Will mich jemand sprechen, Sam?« fragte Herr Pickwick.
    »Er will durchaus Sie und begnügt sich mit keinem andern, wie des Teufels Privatsekretär

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