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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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im Garten.
    Dann und wann zeigten sich Lichter an den verschiedenen Fenstern des Hauses oder schimmerten von den Treppen herüber, als ob die Bewohner sich zur Ruhe begäben, Herr Pickwick wollte nicht vor der bestimmten Zeit an die Tür treten und versteckte sich einstweilen in eine Mauerecke.
    Es war eine Lage, die manchem den Mut benommen hätte; allein Herr Pickwick fühlte weder Niedergeschlagenheit noch Kleinmut. Er wußte, daß sein Zweck in der Hauptsache ein guter war und setzte ein unbeschränktes Vertrauen in den hochherzigen Hiob. Seine Lage war zwar mißlich, um nicht zu sagen traurig, aber ein innerlicher Geist kann sich immer mit Nachdenken beschäftigen. Herr Pickwick dachte sich in einen Schlummer hinein, aus dem er durch die Glockenschläge der benachbarten Kirche erweckt wurde – es schlug halb zwölf.
    »Es ist Zeit«, dachte Herr Pickwick, leise näher tretend. Er sah am Hause hinauf. Die Lichter waren verschwunden und die Läden verschlossen. – Alles zu Bett, ohne Zweifel. Er ging auf den Zehen der Tür zu und pochte leise. Zwei bis drei Minuten gingen vorüber, ohne daß eine Antwort erfolgte. Er pochte lauter und dann noch lauter.
    Endlich hörte man Fußtritte auf der Treppe, und dann schien das Licht einer Kerze durch das Schlüsselloch. Lange Zeit verging mit Aufschließen und Aufriegeln, und sachte ging die Tür auf. Sie öffnete sich nach außen, und wie sie weiter und weiter aufgemacht wurde, zog sich Herr Pickwick mehr und mehr hinter dieselbe zurück. Wie groß war sein Erstaunen, als er bei einem vorsichtigen Blick die Bemerkung machte, daß die Person, die sie öffnete, nicht Hiob Trotter war, sondern ein Dienstmädchen, mit einem Licht in der Hand. Herr Pickwick zog seinen Kopf zurück, mit einer Geschwindigkeit, die einem Taschenspieler Ehre gemacht haben würde.
    »Es muß die Katze gewesen sein, Sara«, sagte das Dienstmädchen, sich an jemand im Hause wendend. »Bs, ws, ws – zi, zi, zi.«
    Aber kein Tier ließ sich durch diese Lockungen herbeirufen; das Mädchen schloß sachte die Tür und schob den Riegel wieder vor, Herrn Pickwick an der Mauer lassend, an die er sich festgedrückt hatte.
    »Das ist sehr seltsam«, dachte Herr Pickwick. »Sie sind vermutlich über die gewöhnliche Stunde aufgeblieben. Höchst unglücklicher Zufall, daß sie gerade diese Nacht vor allen andern zu einem solchen Zwecke ausersehen haben – außerordentlich.« Und mit diesen Gedanken zog sich Herr Pickwick behutsam in den Mauerwinkel zurück, in dem er sich vorher versteckt hatte, des Augenblickes harrend, wo es ratsam sein würde, das Signal zu wiederholen.
    Er war noch nicht fünf Minuten dort, als ein heller Blitzstrahl die Nacht durchriß, und ein lauter Donnerschlag folgte, der mit furchtbarem Getöse in der Ferne verhallte – dann kam ein zweiter Blitzstrahl, heller als der andere, und ein zweiter Donnerschlag, lauter als der erste, und nieder strömte der Regen mit einer Kraft und einer Wut, die alles mit sich fortrissen,
    Herr Pickwick wußte es sehr wohl, daß ein Baum ein sehr gefährlicher Nachbar in einem Donnerwetter ist. Er hatte einen Baum zu seiner Rechten, einen Baum zu seiner Linken, einen dritten vor sich und einen vierten hinter sich. Wäre er geblieben, wo er war, so hätte er leicht das Opfer eines Zufalls werden können; hätte er sich mitten im Garten gezeigt, so wäre er vielleicht von einem Nachtwächter gesehen worden; ein- oder zweimal suchte er die Mauern zu übersteigen, aber da er diesmal keine anderen Beine hatte, als die, womit ihn die Natur versehen, so erreichte er durch seine Anstrengungen nur so viel, daß seine Knie und Schienbeine höchst unangenehme Schmarren bekamen und sein ganzer Körper in einem sehr reichlichen Schweiß geriet.
    »Welch furchtbare Lage«, seufzte Herr Pickwick, als er nach dieser Leibesübung seine Stirne abgewischt hatte. Er sah an dem Hause hinauf. Alles war finster. Sie mußten jetzt zu Bette gegangen sein. Er wollte das Signal wieder versuchen.
    Auf den Zehen schlich er über den nassen Sand und klopfte an die Tür. Er hielt den Atem an und lauschte am Schlüsselloch. Keine Antwort – sehr seltsam. Er pochte wieder und lauschte abermals. Von Innen vernahm er leises Geflüster; dann rief eine Stimme:
    »Wer ist hier?«
    »Das ist nicht Hiob«, dachte Herr Pickwick, sich eilig wieder fest an die Wand stellend. »Es ist eine Frau,«
    Er hatte kaum Zeit gehabt, diesen Schluß zu ziehen, als ein Fenster über der Treppe aufgerissen

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