Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Unruhe im Hause seines Freundes, des Redakteurs.
Herrn Pickwicks Stimme verdunkelte sich während der Erzählung. Seine Freunde bemerkten es und beobachteten ein tiefes Stillschweigen, als Herr Winkle zu Ende war. Herr Pickwick schlug mit geballter Faust bedeutungsvoll auf den Tisch und sprach, wie folgt: –
»Ist es nicht ein verwunderlicher Umstand, daß wir bestimmt zu sein scheinen, keines Menschen Haus zu betreten, ohne ihm auf die eine oder andere Art Unruhe zu bereiten? Ich frage, beweist es nicht die Unbesonnenheit, oder noch schlimmer, die Schlechtigkeit – oh, so etwas aussprechen zu müssen! – meiner Freunde, daß sie, unter welchem Dach man sie auch einquartieren mag, jedesmal den Seelenfrieden und das Glück irgendeines arglosen weiblichen Wesens stören? Ist es nicht, sage ich – –«
Herr Pickwick würde wahrscheinlich noch einige Zeit so fortgefahren haben, wäre der Fluß seiner Beredsamkeit nicht durch Sam, der einen Brief überbrachte, unterbrochen worden. Er fuhr sich mit einem Taschentuch über die Stirne, nahm seine Brille herunter, rieb die Gläser ab und setzte sie dann wieder auf. Seine Stimme hatte die gewohnte Sanftheit des Tones wieder bekommen, als er folgendermaßen begann: –
»Was hast du da, Sam?«
»Ich war soeben auf der Post«, erwiderte Herr Weller, »und dort gab man mir diesen Brief, der schon zwei Tage da gelegen. Er ist mit einer Oblate versiegelt und von einer geübten Hand adressiert.«
»Ich kenne diese Hand nicht«, sagte Herr Pickwick, den Brief öffnend. »Barmherziger Gott, was ist das, es muß ein Scherz sein; es – es – kann nicht wahr sein.«
»Was ist’s denn?« fragten alle zugleich.
»Es ist doch niemand gestorben?« sagte Wardle, beunruhigt über die Bestürzung, die sich auf Herrn Pickwicks Gesicht malte.
Herr Pickwick gab keine Antwort, sondern stieß den Brief über den Tisch und bat Herrn Tupman, ihn vorzulesen; dabei sank er mit einem Schrecken erregenden Blick starren Entsetzens auf seinen Stuhl zurück.
Mit zitternder Stimme las Herr Tupman den Brief, wovon wir hier eine Abschrift geben:
»Freemans-Court, Cornhill, den 28. August 1830. Bardell gegen Pickwick. Sir!
Beauftragt von Frau Martha Bardell, eine Klage wegen Nichterfüllung eines Eheversprechens gegen Sie einzuleiten, wofür die Klägerin eine Entschädigung von 1500 Pfund verlangt, sind wir so frei, Sie zu benachrichtigen, daß der Prozeß von uns bei dem öffentlichen Zivil-Gerichtshof anhängig gemacht worden ist. Wir ersuchen Sie, uns mit umgehender Post Ihren Rechtsbeistand in London zu nennen, dem wir dann die weiteren Mitteilungen zu übermitteln haben.
Inzwischen verbleiben wir, Sir,
Ihre gehorsamsten Diener
Dodson und Fogg . An Herrn Samuel Pickwick.«
In dem stummen Erstaunen, womit jeder seinen Nachbar, und dann alle zusammen Herrn Pickwick anblickten, lag etwas so Ausdrucksvolles, daß lange Zeit keiner zu sprechen wagte. Endlich brach Herr Tupman das Stillschweigen.
»Dodson und Fogg«, wiederholte er mechanisch.
»Bardell und Pickwick«, sagte Herr Snodgraß nachdenkend.
»Seelenfrieden und Glück argloser weiblicher Wesen«, murmelte Herr Winkle in einer Art Zerstreutheit.
»Es ist eine Verschwörung«, sagte Herr Pickwick, als er endlich die Kraft zu sprechen wiedererhielt; »eine niederträchtige Verschwörung von diesen zwei hungerleidendcn Rechtsanwälten, Dodson und Fogg. Frau Bardell würde so etwas nie tun; – sie hat weder das Herz noch eine Veranlassung dazu. Es ist lächerlich – einfach lächerlich.«
»Was ihr Herz anbelangt«, sagte Wardle lächelnd, »so müssen Sie es freilich am besten beurteilen können. Ich will Ihnen Ihren guten Mut nicht benehmen, aber so viel kann ich wohl mit Zuversicht sagen, daß in Beziehung auf Ihren Prozeß den Herren Dodson und Fogg ein weit besseres Urteil zustehen dürfte, als jedem von uns.«
»Es ist ein niederträchtiger Versuch, mir Geld abzuzwacken«, sagte Herr Pickwick.
»Ich hoffe, daß es sonst weiter nichts ist«, versetzte Herr Wardle mit kurzem, trockenen Husten.
»Wer hat mich jemals anders mit ihr umgehen gesehen, als wie ein Hausbewohner mit seiner Hausbesitzerin umzugehen pflegt?« eiferte Herr Pickwick mit großer Heftigkeit weiter. »Wer hat mich jemals mit ihr allein gesehen? Nicht einmal meine Freunde hier – –«
»Ein einziges Mal ausgenommen«, sagte Herr Tupman.
Herr Pickwick wechselte die Farbe.
»Ah so«, sagte Wardle. »Nun, das ist von Wichtigkeit. Es ist doch
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