Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Gemälde und wieder änderte sich die Szene. Vater und Mutter waren jetzt alt und hilflos, und die Zahl der ihrigen hatte sich um mehr als die Hälfte vermindert. Aber Zufriedenheit und Heiterkeit lag auf jedem Gesicht und strahlte aus allen Augen, als sie sich um das Feuer scharten und alte Geschichten aus früheren, vergangenen Tagen erzählten und hörten. Langsam und still sank der Vater ins Grab, und bald darauf folgte ihm die, welche an all seinen Sorgen und Mühen teilgehabt, zur Stätte der Ruhe und des Friedens. Die wenigen, die sie überlebten, knieten an ihrem Grabe und benetzten den Rasen, der es bedeckte, mit Tranen, standen dann auf und entfernten sich traurig und niedergeschlagen, aber nicht mit bitterem Jammergeschrei oder verzweiflungsvollem Wehklagen; denn sie wußten, daß sie sich einst wiederfinden würden. Sie gingen wieder an die Geschäfte des Tage« und erlangten die frühere Zufriedenheit und Heiterkeit. Die Wolke lagerte sich auf das Gemälde und entzog es den Blicken des Totengräbers.
    »Was sagst du dazu?« fragte das Gespenst, sein breites Gesicht Herrn Gabriel Grub zukehrend.
    Gabriel murmelte so etwas wie: »es sei recht hübsch«, und sah ziemlich beschämt drein, als das Gespenst seine feurigen Augen auf ihn heftete.
    »Du bist ein jämmerlicher Mensch!« sagte das Gespenst im Ton grenzenloser Verachtung. »Du!« Es schien noch mehr hinzufügen zu wollen, aber der Unwille erstickte seine Stimme. Es hob eins von seinen äußerst geschmeidigen Beinen, schwenkte es über seinem Kopf hin und her, um sich seines Ziels zu versichern und versetzte dann unserm Gabriel einen derben Fußtritt, worauf sogleich sämtliche Gespenster den unglücklichen Totengräber umringten und schonungslos mit den Füßen mißhandelten, indem sie die wandellose, feststehende Gewohnheit der Höflinge auf Erden befolgten, die den treten, den der Herr tritt, und erheben, den der Herr erhebt.
    »Zeigt ihm noch einige Bilder«, sagte der König der Gespenster.
    Bei diesen Worten verschwand die Wolke wieder, und eine reiche schöne Landschaft entfaltete sich vor dem Auge – man sieht noch heutzutage eine halbe Meile von der alten Klosterstadt entfernt eine ähnliche. Die Sonne leuchtete am reinen blauen Himmelszelt; das Wasser funkelte unter ihren Strahlen, und die Bäume erschienen grüner und die Blumen heiterer unter ihrem belebenden Einfluß. Das Wasser schlug plätschernd ans Ufer, die Bäume rauschten im leichten Winde, der durch ihr Laubwerk säuselte, die Vögel sangen auf den Zweigen und die Lerche trillerte hoch in den Lüften ihr Morgenlied. Ja, es war Morgen, ein schöner, duftender Sommermorgen. Das kleinste Blatt, der dünnste Grashalm atmete Leben, die Ameise eilte an ihr Tagewerk; der Schmetterling flatterte spielend in den wärmenden Strahlen der Sonne; Myriaden von Insekten entfalteten ihre durchsichtigen Flügel und freuten sich ihres kurzen aber glücklichen Daseins, und der Mensch weidete sein Auge an der blühenden Schöpfung, und alles war voll Glanz und Herrlichkeit.
    »Du bist ein erbärmlicher Mensch!« sagte der König der Gespenster noch verächtlicher als zuvor.
    Und wieder hob der König der Gespenster sein Bein, und wieder sprang er auf die Schultern des Totengräbers, und wieder ahmten die untergebenen Gespenster das Beispiel ihres Oberhauptes nach. Noch vielmal verschwand und erschien die Wolke, und manche Lehre erhielt Gabriel Grub, der mit einer Teilnahme zusah, die nichts zu vermindern imstande war, so sehr ihn auch seine Schultern von den wiederholten Fußtritten der Gespenster schmerzten. Er sah, daß Menschen, die durch saure Arbeit ihr spärliches Brot im Schweiße ihres Angesichts erwarben, heiter und glücklich waren, und daß für die Ungebildetsten das freundliche Gesicht der Natur eine nie versiegende Quelle der Heiterkeit und des Genusses war. Er sah Leute, die in Hülle und Fülle erzogen worden, unter Entbehrungen heiter und über Leiden erhaben blieben. Manch andern von rauherer Art würden die Leiden niedergebeugt haben. Aber sie trugen die Stützen ihres Glücks, ihrer Zufriedenheit und Ruhe in ihrer eigenen Brust. Er sah, daß Weiber, die zartesten und hinfälligsten von allen Geschöpfen Gottes, am häufigsten Kummer, Widerwärtigkeiten und Ungemach überwanden. Er sah, daß der Grund davon in ihnen selbst lag, daraus für sie eine unerschöpfliche Quelle von Liebe und Hingebung floß. Nach alledem sah er, daß Leute, wie er, die den Frohsinn und die Heiterkeit

Weitere Kostenlose Bücher