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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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geräuschvollen Ort. Bitte, betrachten Sie dieses Zimmer als Ihr eigenes, so oft Sie der Ruhe bedürfen, oder wenn Ihre Freunde Sie besuchen.«
    »Freunde?« wiederholte der Mann mit röchelnder Stimme. »Wenn ich tot in der Tiefe des tiefsten Schachtes oder im engen Sarge eingeschlossen läge und in dem dunklen garstigen Graben verfaulte, dessen Schleim die Grundmauern dieses Gefängnisses umgibt, ich könnte nicht vergessener und unbeachteter sein als jetzt. Ich bin ein Toter – tot für die Gesellschaft, aber ohne daß mir das Mitleid zuteil wird, das sie denjenigen widmet, deren Seelen bereits vor den ewigen Richterstuhl getreten sind. Besuche von Freunden? Mein Gott! Ich bin an diesem Orte hier von der Blüte meines Gebens zum schwachen Greis herabgesunken. Niemand wird seine Hand auf mein Bett legen, wenn ich tot liege, und sprechen: ›es ist ein Gottessegen, daß er dahin ist!‹«
    Die Aufregung, die ein ungewohntes Licht über das Gesicht des Unglücklichen geworfen hatte, solange er sprach, legte sich jetzt wieder; er schlug verstört und hastig seine welken Hände zusammen und verließ schnell das Zimmer.
    »Der Mann ist etwas mürrisch«, sagte Herr Roker lächelnd. »Ja, sie sind wie die Elefanten: sie fühlen es dann und wann, und das macht sie wild.«
    Nach dieser tief verständigen Bemerkung traf Herr Roker seine Anordnungen mit solcher Schnelligkeit, daß das Zimmer in kurzem mir einem Teppich, sechs Stühlen, einem Tisch, einem Sofabett, einem Teekessel und verschiedenen kleinen Gegenständen versehen war, wofür er den äußerst billigen Preis von siebenundzwanzig Schillingen und sechs Pencen in der Woche zu bezahlen hatte.
    »Kann ich sonst mit etwas dienen, Sir?« fragte Herr Roker, mit großer Zufriedenheit um sich blickend und voll Vergnügen mit dem ersten Wochenzins in der Hand klappernd.
    »Ja«, sagte Herr Pickwick nach tiefem Nachsinnen. »Gibt es wohl Leute hier, die mir meine Aufträge in der Stadt und sonst meine Angelegenheiten besorgen könnten?«
    »Also keine Gefangenen?« fragte Herr Roker.
    »Nein, sie müssen auch in die Stadt gehen können.«
    »Wohl«, sagte Herr Roker. »Da ist so ein armer Teufel, der einen Freund in der Armenabteilung hat, und der froh sein würde, ein solches Geschäft zu bekommen. Er arbeitet schon seit zwei Monaten dort in der Frone. Soll ich nach ihm schicken?«
    »Ja, wenn Sie die Güte haben wollen«, erwiderte Herr Pickwick. »Doch nein. – Die Armenabteilung, sagten Sie? Ich möchte sie gerne in Augenschein nehmen: – ich will selbst zu ihm gehen.«
    Die Armenabteilung in einem Schuldturm ist, wie es schon der Name mit sich bringt, der Aufenthaltsort für die armseligste und elendeste Klasse von Schuldnern. Wer in diese Abteilung bestimmt wird, bezahlt weder Wohnung noch Kost. Er bekommt ein dürftiges Essen, das aus einigen kleinen Legaten bestritten wird, die menschenfreundliche Leute von Zeit zu Zeit gestiftet haben. Die meisten unserer Leser werden sich erinnern, daß bis vor einigen wenigen Jahren in der Mauer des Fleetgefängnisses eine Art eiserner Käfig angebracht war, in den ein Mensch von hungrigem Aussehen hineingesteckt
    wurde. Dieser rasselte von Zeit zu Zeit mit einer Geldbüchse und rief in kläglichem Tone: »Erbarmet euch der armen Schuldner! Erbarmet euch der armen Schuldner!« Was in die Kasse einging, wurde unter die armen Gefangenen geteilt, die sich einander in diesem erniedrigenden Geschäft ablösten.
    Diese Gewohnheit ist nun zwar abgeschafft und der Käfig entfernt. Aber die trostlos elende Lage dieser Unglücklichen ist dieselbe geblieben. Wir gestatten es nicht mehr, daß sie an den Toren des Gefängnisses das Mitleid und die Menschenliebe der Vorübergehenden anrufen. Aber in den Blättern unseres Gesetzbuches lassen wir zur Verehrung und Bewunderung der kommenden Zeiten noch immer das ebenso gerechte als heilsame Gesetz stehen, kraft dessen der ruchloseste Verbrecher gespeist und gekleidet wird, der geldlose Schuldner aber vor Hunger und Elend umkommen muß. Und das ist leider keine Erdichtung. Keine Woche geht über unsern Häuptern dahin, ohne daß in jedem unserer Schuldgefängnisse mehrere dieser Unglücklichen den langsamen Qualen des Hungertodes erliegen müßten, wenn sie nicht von ihren Mitgefangenen unterstützt würden.
    Unter solchen Betrachtungen stieg Herr Pickwick die enge Treppe hinan, an deren Fuß Roker ihn verlassen hatte, und arbeitete sich allmählich hinauf; er war indessen so aufgeregt, daß er

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