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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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sagen Sie?« fragte Herr Pickwick.
    »Ihr Gesellschaftsbillett«, erwiderte Herr Roker: »verstehen Sie mich nicht?«
    »Nicht ganz«, erwiderte Herr Pickwick lächelnd.
    »Es ist doch so klar wie Tinte«, sagte Herr Roker. »Sie haben ein Gesellschaftsbillett auf Nummer 27 im dritten Stock, und die Leute, die im Zimmer sind, sind Ihre Gesellschaft.«
    »Sind es viele?« fragte Herr Pickwick bedenklich.
    »Drei«, erwiderte Herr Roker.
    Herr Pickwick hustete.
    »Der eine ist ein Pfarrer«, sagte Herr Roker, ein Stück Papier überschreibend: »der andere ein Metzger.«
    »Was?« rief Herr Pickwick.
    »Ein Metzger«, wiederholte Herr Roker, die Spitze seiner Feder an das Pult schlagend, damit sie besser Tinte lassen sollte. »Was der für ein reicher, vornehmer Mann früher war! Sie erinnern sich doch des Tom Martin, Neddy?« fragte Roker einen andern Mann in der Stube, der soeben mit einem fünfundzwanzigklingigen Taschenmesser den Schmutz von seinen Schuhen abschabte.
    »Das will ich meinen«, erwiderte der Angeredete mit starkem Nachdruck auf dem »Ich«.
    »So wahr Gott lebt«, sagte Herr Roker, seinen Kopf langsam hin und her wiegend und zerstreut zu dem vergitterten Fenster hinausstarrend, als wolle er sich irgendeine friedliche Szene aus seiner früheren Jugend zurückrufen, »es ist mir noch, als wäre es erst gestern geschehen, wie er den Kohlenträger bei Foggs-under-the- Hill die Werfte hinabschleuderte. Ich kann ihn noch sehen, wie er zwischen zwei Polizeidienern den Strand heraufkam, ein wenig nüchtern geworden durch den Sturz, mit einem Essigumschlag und einem braunen Pflaster über seinem rechten Augenlid. Das war ein Hauptspaß, wie die kleinen Buben auf der Gasse ihm nachsprangen. Was für ein sonderbares Ding doch die Zeit ist, Neddy!«
    Der Gentleman, an den diese Beobachtungen gerichtet waren, schien schweigsam und gedankenvoll zu sein; denn er sprach bloß die Fragen nach. Herr Roker aber schüttelte jetzt die poetische schwermütige Gedankenreihe, in die er sich hatte hineinreißen lassen, ab, ließ sich zu dem gewöhnlichen Geschäft des Lebens hernieder und nahm seine Feder aufs neue zwischen die Finger.
    »Wissen Sie auch, wer der dritte Gentleman ist?« fragte Herr Pickwick, nicht sehr befriedigt durch diese Beschreibung von seinem künftigen Kameraden.
    »Wer ist dieser Simpson, Neddy?« sagte Herr Roker zu seinem Gesellschafter.
    »Was für ein Simpson?« fragte Neddy.
    »Der in Nummer 27 im dritten Stock, wohin dieser Gentleman hier auch kommt.«
    »So der«, erwiderte Neddy: »der ist eigentlich nicht«. Er war früher ein Pferdeanpreiser, jetzt aber hat man ihm das Handwerk gelegt.«
    »Ah, das dachte ich mir doch«, versetzte Herr Roker, das Buch schließend und das kleine Stückchen Papier Herrn Pickwick in die Hand gebend; – »hier ist das Billett, Sir.«
    Sehr verblüfft durch dieses summarische Verfügen über seine Person ging Herr Pickwick in das Gefängnis zurück und besann sich, was er tun sollte. Da er es jedoch für ratsam hielt, bevor er weitere Schritte einleite, mit den drei Gentlemen, denen er als Stubengenosse zugewiesen war, in persönlichen Verkehr zu treten, so begab er sich schnell in den dritten Stock.
    Nachdem er einige Zeit im Gange herumgetappt und bei der schwachen Beleuchtung umsonst die verschiedenen Stubennummern zu entziffern versucht hatte, wandte er sich endlich an einen Bierwirtejungen, der seiner gewöhnlichen Morgenbeschäftigung nachging, die zinnernen Kannen wieder zusammenzuholen.
    »Wo ist Nummer 27, Kleiner?« rief er ihm zu.
    »Fünf Türen weiter unten«, erwiderte der Junge. »Außen an die Türe ist mit Kreide ein Galgen hingemalt, woran einer hängt und dabei seine Pfeife raucht.«
    Herr Pickwick ging sofort langsam den Gang hinab, bis er an das oben beschriebene Porträt eines Gentleman gelangte, auf dessen Gesicht er mit dem Knöchel seines Zeigefingers das erstemal ganz sachte, sodann aber etwas vernehmlicher anklopfte. Nachdem er diesen Prozeß mehrere Male vergeblich wiederholt hatte, wagte er es, die Tür zu öffnen und hineinzublicken.
    Es war bloß ein einziger Bewohner anwesend, der sich, soweit er konnte, ohne Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren, zum Fenster hinauslehnte und mit großer Beharrlichkeit geschäftig war, auf den Hut eines seiner Freunde im untern Gang zu spucken. Weder Sprechen, Husten, Niesen, Klopfen, noch irgendeine andere gewöhnliche Art, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, konnte diesem Manne die

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