Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Anwesenheit eines Fremden begreiflich machen. So schritt Herr Pickwick nach einiger Zeit aufs Fenster zu und zupfte ihn sachte am Rockflügel. Das Individuum brachte Kopf und Schultern mit großer Schnelligkeit herein, musterte Herrn Pickwick von oben bis unten und fragte ihn in einem grämlichen Tone, was er zum Henker wolle.
»Wenn ich nicht irre«, sagte Herr Pickwick, sein Billett zu Rate ziehend, »so ist das Nummer 27 im dritten Stock.«
»Nun ja«, erwiderte der Gentleman.
»Ich bin hierhergekommen, weil man mir dies Papier gegeben hat«, sagte Herr Pickwick.
»Zeigen Sie es einmal«, sprach der Gentleman.
Herr Pickwick tat es.
»Roker hätte Sie auch anderswo unterbringen können«, entgegnete Herr Simpson (denn dieser war es) nach einer sehr mißvergnügten Pause.
Herr Pickwick dachte auch so, hielt es jedoch unter allen Umständen für eine Forderung der gesunden Politik, zu schweigen.
Herr Simpson sann einige Augenblicke nach, dann streckte er den Kopf zum Fenster hinaus, tat einen gellenden Pfiff und rief mehrmals ein Wort. Was dieses Wort war, konnte Herr Pickwick nicht erraten, doch schien es ihm ein Spitzname auf Herrn Martin zu sein, weil eine Menge Gentlemen unten sogleich anfingen »Metzger« zu schreien und dabei den Ton nachmachten, in dem diese nützliche Klasse der Gesellschaft ihre Anwesenheit kundzutun pflegt.
Herr Pickwick fand seine Mutmaßung alsbald bestätigt; denn wenige Sekunden darauf stürzte beinahe atemlos ein für seine Jahre übermäßig dicker Gentleman in einem zunftmüßigen blauen Frack, mit Stulpenstiefeln und zirkelrunden Zehen ins Zimmer, und hinter ihm ein anderer Gentleman in einem abgeschabten schwarzen Rock und mit einer Mütze von Seehundsfell.
Der letztere, der seinen Rock abwechselnd vermittels einer Nadel oder eines Knopfes bis ans Kinn zumachte, hatte ein sehr plumpes, rotes Gesicht und sah aus wie ein dauernd dem Trunke ergebener Kaplan, was er auch in der Tat war.
Nachdem die beiden Gentlemen, einer nach dem andern, Herrn Pickwicks Billett gelesen hatten, drückte der eine seine Meinung dahin aus, dies sei ein verdammter Streich, und der andere erklärte, das könne nie und nimmermehr geschehen.
Als sie sofort in diesen sehr verständlichen Ausdrücken ihre Willensmeinung kundgetan, sahen sie Herrn Pickwick und einander selbst mit unhöflichem Schweigen an.
»Eine widerwärtige Sache jetzt, da wir gerade so hübsche Betten haben«, sagte der Kaplan und blickte auf drei schmutzige Matratzen, die in weißwollene Decken gewickelt waren und den Tag über in einer Ecke des Zimmers neben dem Tische lagen. Auf diesem Tisch prangten ein altes zerbrochenes Waschbecken, eine Gießkanne und ein Seifenschälchen von gemeiner gelber Töpferarbeit mit einer blauen Blume verziert. »Sehr widerwärtig«, wiederholte er.
Herr Martin erklärte sich in noch stärkeren Ausdrücken für die gleiche Ansicht, und Herr Simpson schlug, nachdem er eine Menge ausfüllender Adjektive ohne die begleitenden Substantive über die Gesellschaft losgelassen, seine Ärmel zurück und begann das Gemüse für das Mittagessen zu waschen.
Inzwischen hatte Herr Pickwick das Zimmer zur Genüge betrachtet: es war abscheulich schmutzig und der Geruch darin ganz unerträglich. Keine Spur von einem Teppich, einem Fenster- oder Bettvorhang. Nicht einmal ein Schrankverschlag war dabei. Man hätte zwar wenig hineinzulegen gehabt, wenn einer da gewesen wäre, aber dem sei wie ihm wolle, Überreste von Brotlaiben, Käsestückchen, schmierige Handtücher, alte Fleischbrocken, Kleidungsstücke, zerbrochenes Geschirr, Blasbälge ohne Röhren und verrostete Gabeln ohne Zacken geben, wenn sie untereinander auf dem Boden umherliegen, einem kleinen Zimmer, das die gemeinschaftliche Wohn- und Schlafstube dreier müßiger Leute ist, ein für allemal ein höchst unbehagliches Ansehen.
»Ich dächte, es ließe sich doch noch helfen«, sagte der Metzger nach einer ziemlich langen Pause. »Was verlangen Sie dafür, daß Sie sich fortpacken?«
»Bitte um Verzeihung«, erwiderte Herr Pickwick. »Was haben Sie gesagt? Ich verstehe Sie nicht recht.«
»Wie wir Sie ausbezahlen sollen?« fragte der Metzger. »Die gewöhnliche Taxe ist zwei Schillinge und sechs Pence. Wir wollen Ihnen drei geben.«
»Und einen Spanner«, fügte der geistliche Herr hinzu.
»Nun gut, wir bezahlen Ihnen wöchentlich drei Schillinge und sechs Pence, wenn Sie uns allein lassen«, sagte Herr Martin; »damit werden Sie doch wohl
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