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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Testamentsvollstrecker.
    Der Kranke legte seine Hand auf den Arm seines Trösters und bat ihn, innezuhalten. Dieser machte das Buch zu und legte es aufs Bett.
    »Öffnen Sie doch das Fenster«, sagte der Kranke.
    Er tat es. Das Gepolter der Wagen und Karren, das Gerassel der Räder, das Geschrei der Männer und Kinder, der ganze Lärm des Lebens und Webens einer geschäftigen Menge wogte in dumpfem Gemurmel in das Zimmer. Aus dem dumpfen Summen erhob sich von Zeit zu Zeit ein schallendes Gelächter, oder schlug das Bruchstück eines fröhlichen Liedes, das von einem lustigen Haufen gesungen wurde, auf einen Augenblick ans Ohr und verhallte dann im allgemeinen Lärm der Stimmen und Fußtritte – die Brandung der rastlosen See des Lebens, die draußen ihre Wogen wälzt. Das sind jederzeit melancholische Töne für einen ruhigen Zuhörer, aber wie melancholisch müssen sie dem Ohre des Menschen klingen, der am Sterbebette wacht.
    »Es fehlt an Luft hier«, sagte der Kranke mit schwacher Stimme. »Der Ort verpestet sie: sie war ringsum frisch, als ich vor Jahren hierher kam: aber sie wird schwül und drückend auf ihrem Wege durch diese Mauern. Ich kann sie nicht atmen.«
    »Wir haben sie lange miteinander geatmet«, versetzte der Alte. »Es wird schon wieder besser werden.«
    Es folgte eine kurze Pause, während der die beiden Zuschauer näher ans Bett traten. Der Kranke zog eine von den beiden Händen seines alten Mitgefangenen an sich, drückte sie zärtlich zwischen den seinen und hielt sie lange umschlungen.
    »Ich hoffe«, stöhnte er nach einiger Zeit mit so schwacher Stimme, daß man das Ohr hart ans Bett halten mußte, um die halben Laute zu vernehmen, die über seine blauen Lippen zitterten – »ich hoffe, mein gnädiger Richter wird meiner schweren Buße auf Erden gedenken. Zwanzig Jahre, mein Freund, zwanzig Jahre in diesem scheußlichen Grabe! Mein Herz brach, als mein Kind starb, und ich konnte es nicht einmal küssen in seinem kleinen Sarge. Meine Verlassenheit seitdem ist, trotz all dieses Lärmens und Tosens, wahrhaft fürchterlich gewesen. Möge mir Gott vergeben! Er hat meine Einsamkeit, meinen langsamen Tod gesehen.«
    Er faltete die Hände, und noch etwas murmelnd, was man nicht verstehen konnte, fiel er in Schlaf – nur in Schlafanfang: denn sie sahen ihn lächeln.
    Eine kurze Zeit lang flüsterten sie miteinander und der Schließer, der das Kissen hinaufziehen wollte, fuhr schnell zurück.
    »Bei Gott, er ist erlöst!« sagte der Mann.
    Er war es. Aber er war schon im Leben so totenähnlich geworden, daß sie nicht wußten, wann er gestorben war.

Sechsundvierzigstes Kapitel
    Schildert eine rührende Zusammenkunft Herrn Samuel Wellers mit einem Familienkreis. Herr Pickwick macht die Runde in der kleinen Welt, darinnen er wohnt, und faßt den Entschluß, künftighin so wenig wie möglich mit ihr zu verkehren.
     
    Einige Tage nach seiner Gefangensetzung ging Herr Samuel Weller des Morgens, nachdem er das Zimmer seines Herrn mit aller möglichen Sorgfalt in Ordnung gebracht hatte und seinen Herrn behaglich über seinen Büchern und Papieren sitzen sah, mit sich selbst zu Rate, wie er die nächsten zwei Stunden am angemessensten verwenden könnte. Der Morgen war schön, und Sam kam aus den Gedanken, daß eine Flasche Porter in der freien Luft seine nächste Viertelstunde ebensogut erheitern würde, als irgendeine andere kleine Erholung, deren er sich erfreuen könnte.
    Auf diesen Schluß gekommen, ging er in die Schenkstube, und nachdem er das Bier und überdies noch die ehegestrige Zeitung bekommen hatte, begab er sich auf die Kugelbahn, setzte sich auf eine Bank und begann, sich auf eine sehr gesetzte und systematische Methode zu unterhalten.
    Vor allem nahm er einen erfrischenden Schluck Bier zu sich, sah dann zu einem Fenster empor und beglückte eine junge Dame, die hinter diesem Kartoffeln schälte, mit einem platonischen Blinzeln. Dann entfaltete er die Zeitung und gab sich Mühe, die Polizeiberichte nach außen zu wenden. Da das bei dem sich darin verfangenden Winde eine anstrengende und schwierige Arbeit war, so nahm er nach deren Vollendung einen zweiten Schluck Bier. Dann las er zwei Zeilen und unterbrach diese Beschäftigung, um einigen Männern zuzusehen, die ein Racketspiel zum Schluß brachten, nach dessen Beendigung er beifälligerweise »sehr gut« rief. Dann ließ er seine Augen im Kreise der Zuschauer die Runde machen, um sich zu überzeugen, ob ihre Gefühle mit den seinen

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