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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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nicht verstanden.
    »Philipp«, sagte Redlaw und legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich bin ein Unglücklicher, auf dem schwer die Hand der Vorsehung lastet. Du sprichst von etwas, Freund, das ich nicht mehr begreifen kann. Meine Erinnerung ist fort.«
    »Barmherziger Himmel!« schrie der alte Mann.
    »Ich habe die Erinnerung an Kummer und Sorge verloren«, sagte der Chemiker, »und damit auch alles, was dem Menschen der Erinnerung wert ist.«
    Wer des alten Philipp Mitleid sah, und sah, wie er den eigenen großen Stuhl heranrollte, damit sich Redlaw darin ausruhen sollte, und das tiefe Verständnis in seinen Augen las für den Verlust, den jener erlitten, der mußte erkennen, wie kostbar die Erinnerungen für das Alter sind.
    Der Knabe kam hereingelaufen und eilte auf Milly zu.
    »Hier ist der Mann«, sagte er, »im andern Zimmer. Ich mag ihn nicht.«
    »Wen meint er?« fragte Mr. William.
    »Still!« sagte Milly.
    Auf ihren Wink gingen er und sein Vater leise hinaus. Als sie verschwunden waren, winkte Redlaw den Knaben zu sich.
    »Ich will lieber bei der Frau sein«, antwortete dieser und klammerte sich an Millys Röcke an.
    »Du hast ganz recht«, sagte Redlaw mit einem trüben Lächeln, »aber du brauchst dich vor mir nicht zu fürchten, ich bin sanfter, als ich war, vor allem gegen dich, armes Kind.«
    Der Junge hielt sich anfangs noch scheu zurück, aber allmählich gab er Millys Drängen nach, wagte sich näher und setzte sich dem Gelehrten sogar zu Füßen. Redlaw legte seine Hand auf die Schulter des Jungen, blickte mit brüderlicher Teilnahme auf ihn herab, und das Kind reichte die seine seiner Beschützerin hin. Milly beugte sich herab, daß sie ihm ins Gesicht sehen konnte, und fragte nach einer Pause:
    »Mr. Redlaw, darf ich Ihnen etwas sagen?«
    »Ja«, antwortete der Chemiker und blickte sie an. »Ihre Stimme ist wie Musik für mich.«
    »Darf ich Sie etwas fragen?«
    »Was Sie wollen.«
    »Erinnern Sie sich noch, von wem ich gestern abend sprach, als ich an Ihre Türe klopfte? Von jemand, der einst Ihr Freund gewesen ist und jetzt am Rande des Verderbens steht?«
    »Ja, ich kann mich erinnern«, sagte er zögernd.
    »Wissen Sie, was ich meinte?«
    Er streichelte den Kopf des Kindes, sah sie eine Welle gespannt an – und schüttelte den Kopf.
    »Diesen Mann«, sagte Milly mit ihrer sanften, klaren Stimme, die der Blick ihrer milden Augen noch klarer und weicher machte, »fand ich bald darauf. Ich ging nach Hause zurück und machte ihn ausfindig mit Gottes Hilfe. Ich kam gerade noch zurecht. Ein wenig später, und es wäre vorüber gewesen.«
    Redlaw zog seine Hand von dem Kinde zurück, legte sie auf die ihre, und die schüchterne und doch innige Berührung drang ihm ins Herz, wie ihre Stimme und ihre Augen, und er sah sie gespannt an.
    »Er ist der Vater des Mr. Edmund, des jungen Herrn, den wir vorhin getroffen haben. Sein wirklicher Name ist Langford. Erinnern Sie sich an den Namen?«
    »Ich erinnere mich des Namens.«
    »Und des Mannes nicht?«
    »Nein, des Mannes nicht. Hat er mir jemals etwas Böses getan?«
    »Ja.«
    »Dann ist keine Hoffnung – keine Hoffnung auf Erinnerung.«
    Er schüttelte den Kopf und klopfte leise auf ihre Hand, als ob er sie stumm um Mitgefühl bäte.
    »Ich bin gestern abend nicht zu Mr. Edmund gegangen«, sagte Milly. »Wollen Sie jetzt auf alles so genau hören, als ob Sie sich auf alles besännen.«
    »Auf jede Silbe, die Sie sprechen.«
    »Ich bin nicht hingegangen, erstens weil ich nicht wußte, ob der Mann wirklich sein Vater wäre, und dann, weil ich die Wirkung fürchtete, die eine solche Nachricht möglicherweise auf Mr. Edmund machen mußte – jetzt, wo er kaum genesen. Seitdem ich es bestimmt weiß, bin ich ebenfalls nicht hingegangen, aber aus einem andern Grund. Der Mensch war so lang fort von seiner Frau und seinem Sohn, ist seinem Heim, wie ich von ihm erfuhr, fast seit der Kindheit dieses Sohnes ein Fremdling geworden und hat das verlassen und vergessen, was ihm das Teuerste hätte sein sollen. Während dieser ganzen Zeit ist er tiefer und tiefer gesunken, bis – – – –« Plötzlich stand sie hastig auf, ging auf einen Augenblick hinaus und kam mit der Ruine von einem Menschen, den Redlaw am vergangenen Abend gesehen, wieder herein.
    »Kennen Sie mich vielleicht?« fragte der Chemiker.
    »Ich wäre glücklich«, entgegnete der andere, »– und das ist ein ungewohntes Wort in meinem Munde –, wenn ich mit nein antworten könnte.«

    Der

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