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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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des Königs. Jahre vergingen, und die Brücke ward von dem Könige selbst eingeweiht. Im Laufe der Zeit wurden die verhängnisvollen Pfeiler entfernt, und als die guten Leute von Scotland-Yard am anderen Morgen in der Erwartung aufstanden, nach Pedlars Acre hinübergehen zu können, ohne die Sohlen ihrer Schuhe naß zu machen, ersahen sie zu ihrer unaussprechlichen Verwunderung, daß geradesoviel Wasser da war wie immer.
    Ein ihrer Weisheit so gänzlich zuwiderlaufendes Ergebnis brachte seine volle Wirkung bei den Bewohnern von Scotland-Yard hervor. Einer der Speisewirte fing an, sich um die Gunst der öffentlichen Meinung zu bewerben und sich um Kunden aus einer neuen Klasse von Leuten zu bemühen. Er legte weiße Tischtücher auf und ließ durch einen Malerlehrling eine der kleinen Scheiben seines Ladenfensters mit etwas bemalen, das soviel heißen sollte wie: »Warme Bratenportionen von zwölf bis zwei.« Die Kultur rückte mit Riesenschritten bis an die Schwelle von Scotland-Yard vor. In Hungerford entstand ein neuer Markt, und die Polizei richtete ihr Büro auf dem Whitehallplatze ein. Handel und Wandel in Scotland-Yard vermehrte sich, dem Hause der Gemeinden wurden neue Mitglieder hinzugefügt, die hauptstädtischen Vertreter fanden den Weg über Scotland-Yard näher, und andere Fußgänger folgten ihrem Beispiele.
    Wir beobachteten das Vorschreiten der Zivilisation und seufzten. Der Speisewirt, der der Tischtuchneuerung mannhaft widerstanden hatte, verlor mit jedem Tage Terrain, und sein Nebenbuhler gewann es, woraus sich eine tödliche Fehde zwischen ihnen entspann. Der feine Mann trank seinen Abendschoppen nicht mehr in Scotland-Yard, sondern Gin mit Wasser in einer »Restauration« der Parlamentsstraße. Der Pastetenbäcker fuhr noch fort, das alte Gastzimmer zu besuchen, fing aber an, Zigarren zu rauchen, sich einen Konditor zu nennen und die Zeitungen zu lesen. Die alten Kohlenträger versammelten sich noch immer an dem alten Kamin, allein ihre Gespräche waren wehmütig, und man hörte sie nicht mehr laut und fröhlich ihre Lieder singen.
    Und was ist Scotland-Yard jetzt? Wie haben sich seine alten Bräuche geändert und wie gänzlich ist die ehemalige Einfachheit seiner Bevölkerung entschwunden! Die altväterische, wacklige Schenke ist in ein weitläufiges hohes »Weinhaus« verwandelt worden, das mit vergoldeten Lettern prunkt; und die Kunst des Dichters ist in Anspruch genommen worden, um zu verkünden, daß man sich am Geländer festhalten müsse, wenn man ein gewisses Ale trinke. Der Schneider hat in seinem Fenster das Muster eines ausländisch aussehenden braunen Oberrocks mit seidenen Knöpfen, einem Pelzkragen und Pelzaufschlägen. Er trägt Beinkleider mit Streifen, und wir haben seine Gehilfen (denn er hält gegenwärtig Gehilfen) ebenso stolz angetan die Nadel führen sehen.
    Am anderen Ende der kleinen Häuserreihe hat sich ein Schuhmacher in einer Backsteinhütte mit der Neuerung einer belétage etabliert und stellt hohe Stiefel zum Verkauf aus – wirklich hohe, doppelnähtige Stiefel, von dergleichen die ursprünglichen Bewohner vor wenigen Jahren weder etwas gesehen noch gehört hatten. Vor ein paar Tagen öffnete eine Putzmacherin einen kleinen Laden mitten in der Reihe, und als wir meinten, daß der Geist der Veränderung nicht weitergehen könne, erschien ein Juwelier und trat, nicht zufrieden damit, vergoldete Ringe und kupferne Armbänder ohne Zahl auszustellen, mit einer noch jetzt in seinem Fenster zu schauenden Ankündigung hervor, daß man drinnen Damenohren durchbohre. Die Putzmacherin beschäftigt eine junge Dame, die Taschen an der Schürze trägt, und der Schneider tut dem Publikum kund, daß Gentlemen ihre eigenen Zutaten bei ihm verarbeiten lassen können.
    Inmitten aller dieser Wandlungen, Unruhe und Neuerungen ist nur noch ein alter Mann übrig, der den Verfall von Scotland-Yard zu beklagen scheint. Er verkehrt nicht mit dem menschlichen Geschlecht, sitzt auf einer hölzernen Bank an der Ecke der Mauer, dem Whitehallplatze gegenüber, und sieht schweigend den lustigen Sprüngen seines runden, wohlgenährten Hundes zu. Er ist Scotland-Yards schützender Genius. Viele Jahre sind über seinem Haupte dahingegangen, er aber ist stets an derselben Stelle zu finden bei schlechtem wie bei gutem Wetter, bei Hitze wie bei Kälte, Nässe oder Trockenheit, Hagel, Regen oder Schnee. In seinem Antlitze malen sich Elend und Armut; sein Rücken ist vom Alter gebeugt, und sein Kopf von

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