Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
lächelnd breitgezogenen Munde, und pfiff abwechselnd so vergnügt, als ob er gar keine Vorstellung davon habe, daß ein Mensch unglücklich oder mißvergnügt sein könnte.
Er war ein Mann so recht nach unserm Herzen – wir kannten ihn auf das genaueste – hatten ihn viele hundert Male in seinem grünen Einspänner mit dem wohlgenährten kleinen Pferde nach Covent-Garden auf den Markt fahren sehen; und während wir noch zärtlich nach seinen Stiefeln hinblickten, hüpften plötzlich die Füße eines gefallsüchtigen Dienstmädchens in ein Paar wollseidene Schuhe hinein, die dicht neben ihnen standen, und wir erkannten in dem Mädchen sogleich die junge Schöne, die, als wir uns am vorigen Dienstagmorgen von Richmond zur Stadt begaben, diesseits der Hammersmith-Hängebrücke sein Erbieten annahm, sie ein wenig mitfahren zu lassen.
Ein sehr geputztes Frauenzimmer mit einem prachtvollen Hut schlüpfte in ein Paar graue Tuchstiefel mit schwarzen Fransen und Schnüren hinein und zeigte große Begier, die Aufmerksamkeit der Stulpenstiefel zu erregen; allein unser Freund, der Marktgärtner, zeigte sich allen ihren kleinen Koketterien unzugänglich, denn zuerst blinzelte er nur listig, als ob er sagen wollte, daß er ihre Zwecke und Absichten sehr wohl durchschaue, und bald beachtete er sie gar nicht mehr. Seine Gleichgültigkeit wurde indes durch die ausnehmende Galanterie eines, einen silberknaufigen Handstock tragenden, sehr alten Herrn aufgewogen, der in ein Paar große, in einer Ecke stehenden Leistenschuhe trat und durch vielfache Gebärden der Dame in den Zeugstiefeln seine Bewunderung ausdrückte, und zwar zur maßlosen Belustigung eines jungen Menschen, den wir in Gedanken in ein Paar hochfersige Tanzschuhe gesteckt hatten.
Wir hatten dieser kleinen Pantomime eine Zeitlang mit lebhaftem Vergnügen zugeschaut, als wir zu unserm unaussprechlichen Erstaunen gewahrten, daß sämtliche von uns beschuhten Individuen – ein zahlreiches Ballettkorps von Stiefeln und Schuhen im Hintergrund, die wir eiligst mit Füßen versehen hatten, mit eingeschlossen – zum Tanz antraten und auch ohne Verzug den Anfang machten, da in demselben Augenblick eine Musikbande zu spielen begann. Wahrhaft zum Entzücken war die Behendigkeit des Marktgärtners anzusehen. Die Stulpenstiefel machten alle Touren und Pas auf das kunstgerechteste und unermüdlichste durch und schienen trotzdem nicht im mindesten an Ermüdung zu leiden.
Die Wollseidenen blieben ihrerseits keineswegs zurück. Sie hüpften und sprangen nach allen Richtungen umher; und obwohl sie weder so kunstgerecht noch taktmäßig tanzten als die Zeugstiefel, so schien es ihnen dafür desto mehr vom Herzen zu gehen und eine ungemischtere Lust zu gewähren; und wir bekennen daher aufrichtig, daß wir ihnen als Tänzern den Vorzug gaben. Der Unterhaltendste von allen war aber der sehr alte Herr in den Leistenschuhen; denn abgesehen von seinem grotesken Bestreben, jung und verliebt zu erscheinen, das an sich selbst schon belustigend genug war, wußte es der junge Mensch in den Tanzschuhen geschickt immer so einzurichten, daß er, sooft der alte Herr vortrat, um sich vor den Zeugstiefeln zu verbeugen, mit seinem ganzen Gewichte dem alten Knaben auf die Zehen trat, worauf denn der letztere jedesmal vor Schmerz laut aufschrie und alle übrigen sich vor Lachen ausschütten wollten.
Mitten in unserm seligen Genusse drang eine kreischende, nichts weniger als musikalische Stimme an unser Ohr. »Hoffe, daß Er mich ein ander Mal wiedererkennen wird, Er unverschämtes Rhinozeros!« Als wir scharf vor uns hinblickten, um zu sehen, wer diese Worte gesprochen hätte, wurden wir inne, daß es nicht von Seiten der jungen Dame in den Zeugstiefeln geschehen war, wie wir zuerst anzunehmen geneigt gewesen, sondern von einer sehr großen, ältlichen Frau, die auf einem Stuhle an der Kellertreppe offenbar zu dem Zwecke saß, den Verkauf der neben ihr ausgestellten Handelsartikel zu leiten.
Eine Drehorgel, die dicht hinter uns musiziert hatte, verstummte, und flugs verschwanden die sämtlichen Leute, deren Füße wir in die Stiefel und Schuhe hineingezaubert hatten: Wir erkannten, daß wir in unsern tiefen Gedanken, vielleicht ohne es zu wissen, die alte Dame eine halbe Stunde lang ungewöhnlich angestarrt haben könnten, machten uns daher gleichfalls auf und davon und waren bald im tiefsten Dunkel der anstoßenden »Dials« verschwunden.
Die Mietskutschenstände
Wir behaupten, daß die
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