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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Sobald sie eingestiegen waren, warf die Brautjungfer einen roten Schal, den sie ohne Zweifel absichtlich dazu mitgebracht hatte, nachlässig über die Nummer des Kutschschlags, offenbar um die Vorübergehenden glauben zu machen, daß die Mietskutsche eine Privatequipage sei; und so fuhren sie ab, vollkommen überzeugt, daß die Täuschung gelänge, und ganz ohne Ahnung, daß ein Schild mit einer Nummer, so groß wie die Schiefertafel eines Schulknaben, hinten angebracht war. Einen Schilling die Meile! Die Fahrt war fünf und mehr wert, für sie zum wenigsten.
    Welch ein interessantes Buch eine Mietskutsche müßte liefern können, wenn sie einen Kopf hätte und darin so viel bergen könnte als in ihrem Innern! Die Selbstbiographie einer Invalidin ihres Geschlechtes würde sicher nicht weniger unterhaltend sein als die Autobiographie eines invaliden Mietsschriftstellers oder Theaterdichters und dürfte ebensoviel von ihren Reisen um den Pol des Kutschenstands, als die der anderen von ihren Expeditionen nach dem Pole zu berichten haben. Wie viele Geschichten würde sie von den Leuten erzählen können, die sie von einem Orte zum anderen geführt haben und die sich bald in Geschäften, bald des Vergnügens halber in ihr umherkutschieren ließen! Und wie zahllose und verschiedene Leute benutzten sie: das Landmädchen, die Putznärrin, die trunkene Dirne, der unerfahrene Lehrling, der abgefeimte Betrüger, der ehrliche Mann und der durchtriebenste Schurke!
    Sprecht mir nur nicht von Kabrioletts! Ja, sie sind schön und gut in eiligen Fällen, wo Hals und Kragen, Leben und Tod daran hängen, wo es gilt, in einer gegebenen Zeit nach Hause oder in die ewigen Hütten befördert zu werden. Doch abgesehen davon, daß ein Kabriolettführer jener würdigen Haltung ermangelt, die den Mietskutscher auszeichnet und ihm ganz eigentümlich ist, so wolle man nicht vergessen, daß ein Kabriolett ein Ding von gestern her und nie etwas Besseres gewesen ist. Ein Mietskabriolett war immer ein Mietskabriolett, vom Anbeginn seiner öffentlichen Laufbahn an; wogegen eine Mietskutsche ein Überrest vormaliger Hochadligkeit – ein Opfer der Mode – ein Mobilarstück einer alt-englischen Familie ist, deren Wappenschild trägt, einst von Dienern in deren Livree eskortiert und vor längerer oder kürzerer Zeit, ihres Schmucks und Glanzes entkleidet, gleich einem geschniegelten, funkelnden, zu seinem Posten nicht mehr jung genug erfundenen Bedienten in die Welt hinausgestoßen wurde – auf tiefere und immer tiefere Stufen der vierrädrigen Erniedrigung hinabsank, und endlich zu einem Still- und Kutschenstande gelangte!

Londoner Vergnügungen und Ergötzlichkeiten
    Die Sucht der niedrigeren Klassen, die Manieren und das Tun und Treiben derer nachzuäffen, die vom Glück über sie erhoben sind, ist häufig ein Gegenstand der Besprechung und nicht selten der Klage. Sie ist unter den Klein-Vornehmen – den Möchtegern-Aristokraten – der Mittelklassen ohne Zweifel, und zwar in bedeutendem Maße, vorhanden. Erwerbsleute und Schreiber mit romanlesenden Familien und ästhetischen Töchtern veranstalten Tavernen-Gesellschaften und promenieren in dem schmutzigen »Saal« eines Gasthauses zweiter Klasse nicht minder wohlgefällig auf und ab als die beneideten wenigen, die das Vorrecht besitzen, an jenem exklusiven Sammelplatz der Mode, Vornehmheit und Torheit ihren Glanz und Schimmer zur Schau zu stellen. Emporstrebende junge Damen lesen einen volltönenden, deklamationsreichen Bericht über einen »Wohltätigkeitsbasar in der vornehmen Welt« und werfen sich plötzlich mit Enthusiasmus auf die Wohltätigkeit, träumen sich bewundert und verheiratet, entdecken eine unermeßlich verdiente Anstalt, von der man durch den merkwürdigsten Zufall der Welt nie gehört hat und die dem Verfall entgegengeht in ihrem hinschwindenden Zustand: und sofort wird Thomsons Saal oder Johnsons Kunstgarten gemietet, und die besagten jungen Damen stellen sich aus purer Menschenliebe drei Tage lang von zwölf bis vier Uhr für den geringen Einlaßpreis von einem Schilling pro Kopf zur Schau! Abgesehen von diesen Klassen und einigen anderen schwachen und unbedeutenden Individuen glauben wir indes nicht, daß die erwähnte verächtliche Nachahmungssucht in einem beträchtlichen Maße herrscht. Der verschiedene Charakter der Vergnügungen der verschiedenen Klassen hat uns auf unseren einsamen Wanderungen oft Unterhaltung gewährt, und wir haben ihn zum Vorwurf dieser Skizze in

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