Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Der Bock ist teilweise von einem alten Reiserock, einer Sammlung von Mantelkragen – und einem wunderbar aussehenden Behang verhüllt; und das Stroh, womit das Kanevaskissen ausgestopft ist, guckt an mehreren Stellen hervor, gleichsam als wenn es mit dem Heu rivalisieren wollte, das aus den Ritzen des Kutscherkastens hervordringt. Die Pferde stehen mit niederhängenden Köpfen und mit den dünnen und zottigen Mähnen und Schweifen eines Schaukelpferdes geduldig auf ein wenig feuchtem Stroh, fahren zuckend zusammen und schütteln das Geschirr; und von Zeit zu Zeit hebt eins die Schnauze zum Ohre des andern empor, als wenn es ihm zuflüstern wollte, es möchte den Kutscher wohl meucheln. Der Kutscher selbst sitzt bei einem Gläschen, und der Kutschstandwärter exerziert ein sehr kunstvolles Manöver, indem er vor dem Brunnen, die Hände in den Taschen, so tief sie haben hineingehen wollen, unermüdlich den rechten und linken Fuß (um sie sich warm zu erhalten) abwechselnd und mit Energie hebt und senkt, als ob er immer fortzueilen dächte, doch stets auf derselben Stelle bleibt.
Auf einmal öffnet das Hausmädchen mit den rosa Bändern in Nr. 5 gegenüber die Haustür, und vier kleine Kinder stürzen heraus und schreien was sie können: »Kutsche, Kutsche!« Der Wärter schießt nach den Pferden hin, faßt die Zäume und zieht daran sie und auch die Mietskutsche, dabei fortwährend nach dem Kutscher rufend, vor das Haus. Der Kutscher antwortet aus dem Schenkstübchen, die Straße hallt nach einiger Zeit vom Geklapper der Holzsohlen des Herbeilaufenden wider, und er und der Wärter vereinigen ihre umständlichen Anstrengungen, um endlich zu erreichen, daß die Kutsche gerade vor und in gehöriger Entfernung von der Haustür zu stehen kommt, so daß die Kinder ganz außer sich vor Vergnügen sind. Welch ein Getümmel! Die alte Dame, die das Haus während der letzten vier Wochen bewohnt hat, kehrt auf das Land zurück. Eine Schachtel nach der andern wird herausgebracht, und die eine Hälfte der Kutsche ist im Nu mit Gepäck angefüllt: die Kinder sind jedermann im Wege, und das jüngste, das bei dem Versuch, einen Regenschirm zu tragen, auf die Nase gefallen ist, wird blutend und widerstrebend hineingetragen. Die Kinder verschwinden, und es erfolgt eine kurze Pause. Die alte Dame küßt sie ohne Zweifel der Reihe nach ab. Endlich erscheint sie, begleitet von ihrer verheirateten Tochter, sämtlichen Kindern und beiden Hausmägden, denen es unter dem Beistand des Kutschers und Standwärters gelingt, sie glücklich in die Arche hineinzuheben. Man reicht ihr einen Mantel und einen kleinen Korb hinein, der (wir getrauen uns fast darauf zu schwören) ein Fläschchen mit Spirituosen und Butterschnitten mit Fleisch enthält. Der Kutschentritt wird befestigt, der Schlag zugeworfen. »Tom, Golden Cross, Charing Cross«, sagte der Standwärter, die Kinder rufen der Großmutter noch zwanzig Lebewohls zu, die Kutsche rasselt in einer Schnelligkeit von drei Meilen die Stunde über das Pflaster fort, und die Mutter und die Kinder gehen wieder hinein – mit Ausnahme eines kleinen Bösewichts, der von einer der Mägde verfolgt, so schnell ihn seine Füße tragen wollen, die Straße hinunterrennt. Die Magd ist nicht übel damit zufrieden, eine Gelegenheit zu erhalten, ihre Reize sehen zu lassen. Sie bringt den Flüchtling endlich zurück, wirft einige holdselige Blicke herüber nach uns oder dem Bierjungen (wir sind unserer Sache nicht ganz gewiß), verschließt die Tür, und der Kutschenstand ist gänzlich verlassen.
Nicht selten hat uns das innige Behagen höchlich ergötzt, womit eine nach einer Mietskutsche entsendete Ausläuferin im Inneren Platz nahm oder das unsägliche Vergnügen, womit die zum gleichen Zwecke ausgeschickten Knaben den Bock zu erklimmen pflegen. Nie aber hat uns eine Mietskutschengesellschaft mehr belustigt als die, die wir vor einigen Tagen in Tottenham-Court-Road sahen. Es war eine Hochzeitsgesellschaft, und sie kam aus einer der schlechteren Straßen unweit Fitzroy- Square; die Braut in einem dünnen weißen Kleid und mit einem großen, roten Gesicht, die Brautjungfer, ein kleines, kurzes und dickes, munteres, junges Frauenzimmer, natürlich in demselben angemessenen Kostüm, und der Bräutigam und der Bräutigamsführer in blauen Röcken, gelben Westen und weißen Beinkleidern und Handschuhen. An der Ecke der Straße standen sie still und riefen mit unbeschreiblich wichtigen Gebärden nach einer Kutsche.
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