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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Rock, der das ganze Jahr über aushalten muß, mit dem alten vertauscht hat, der ihm im vergangenen Jahre seine Dienste leistete und den er im Geschäftszimmer trägt, um den andern zu schonen. Und da sitzt er dann bis fünf Uhr, den Kopf nur emporhebend, wenn jemand eintritt, oder wenn er inmitten einer schwierigen Berechnung die Blicke an die staubige Decke heftet, als ob er aus ihrem Schwarz-Grau eine Inspiration erwarte; und da sitzt und arbeitet er den ganzen Tag so regelmäßig wie der Zeiger der Wanduhr über dem Kaminsims, deren lautes Ticken fast ebenso einförmig ist wie sein eigenes Dasein.
    Um fünf oder halb sechs Uhr steigt er langsam von seinem gewohnten Stuhl herunter, wechselt abermals den Rock und begibt sich in sein Speisehaus in der Gegend von Bucklersburg, Er fragt: »Was gibt es Gutes?« Der Kellner nennt ihm in vertraulichem Tone, denn er hat es mit einem regelmäßigen Gast zu tun – die Gerichte des Tags, und er bestellt einen kleinen Teller mit Roastbeef nebst frischem Gemüse und einem halben Schoppen Porter. Er bekommt einen kleinen Teller, weil frisches Gemüse einen Penny teurer ist als Kartoffeln, und er hatte gestern »zwei Brote« und vorgestern sogar noch »einen Käse« dazu. Nachdem diese wichtige Sache abgemacht ist, hängt er den Hut auf und sagt zu dem nächstsitzenden Herrn, der das Zeitungsblatt in der Hand hat: »Wenn ich bitten darf, nach Ihnen, Sir!« Kann er das Blatt haben, während er speist, so speist er mit weit größerem Behagen, indem er es gegen die Wasserflasche stellt und abwechselnd einen Bissen zum Munde führt und ein paar Zeilen liest. Genau fünf Minuten vor Ablauf der Stunde bezahlt er und kehrt nach dem Geschäftszimmer zurück, das er abermals, sofern kein Posttag ist, nach einer halben Stunde verläßt, und begibt sich in seinem gewöhnlichen Schritt nach Hause in sein kleines Hinterzimmer, wo er seinen Tee trinkt und sich dabei vielleicht die Zeit durch Geplauder mit seiner Hauswirtin kleinem Knaben vertreibt, den er bisweilen für die Ausrechnung eines Additionsexempels mit einem Penny belohnt.
    Manchmal liegt es ihm ob, seinem Geschäftsgeber in Bernard-Street, Russel-Square, einen Brief hinzubringen. Der reiche Mann hört seine Stimme und ruft ihm aus dem Speisezimmer zu: »Nur herein, Mr. Smith!« worauf Mr. Smith seinen Hut neben einem Stuhle des Vorsaales niederlegt, schüchtern hineingeht, das herablassende Geheiß, sich zu setzen, befolgt, die Füße sorgfältig unter den Stuhl zieht und in ehrerbietiger Entfernung vor dem Tisch dasitzt, während er das Glas Wein austrinkt, das ihm der älteste Knabe hat einschenken müssen. Er entfernt sich darauf unter fortwährenden Verbeugungen und unruhigem Herzklopfen, das sich erst wieder vollkommen verliert, wenn er das Haus verlassen hat und einige hundert Schritte gegangen ist.
    Er und seinesgleichen sind mitleidswerte, harmlose Leute; zufrieden, aber nicht glücklich, mit gebrochener Lebenskraft und niedergebeugt, fühlen sie wohl keinen Schmerz, kennen aber auch keine Freude.
    Vergleicht sie mit einer andern Klasse von Leuten, die ebenfalls weder Angehörige und Freunde noch Umgang haben, deren Stellung in der Gesellschaft aber eine Folge ihrer eigenen Wahl ist. Die meisten von ihnen sind alte Knaben mit weißen Köpfen und roten Gesichtern, lieben Portwein und hohe Stiefel, hegen aus wirklichen oder eingebildeten Gründen – in der Regel aus den wirklichen und vortrefflichen, daß sie selbst reich und ihre Anverwandten arm sind – Argwohn gegen jedermann, spielen die Menschenhasser, empfinden großes Vergnügen in dem Gedanken, unglücklich zu sein, und machen alles verstimmt, was in ihre Nähe kommt. Man kann Leute wie sie überall sehen, erkennt sie in Kaffeehäusern an ihren Unzufriedenheit ausdrückenden Ausrufen und den luxuriösen Diners, im Theater daran, daß sie stets auf demselben Platze sitzen – und mit neiderfüllten Blicken alle jungen Leute in ihrer Nähe ansehen; in der Kirche an ihrem prunkhaften Eintreten und der lauten Stimme, womit sie sich bei den Responsorien der Liturgie vernehmen lassen; in Gesellschaften endlich daran, daß sie beim Whist verdrießlich werden und keine Musik leiden können.
    Ein alter Knabe dieser Art hat eine glänzend möblierte Wohnung, eine artige Büchersammlung, ein kostbares Silberservice und schöne Gemälde die Fülle; nicht so sehr, um sich selbst daran zu erfreuen, als um die zu ärgern, die das Verlangen, aber nicht die Mittel haben, es ihm

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